Froschkuss (German Edition)
Laptop mit, der neben meinem Bett auf dem Boden lag. Leider hatte ich zurzeit ja keinen Arbeitsplatz mehr, dachte ich grimmig. Aber ich schob den Gedanken schnell beiseite, denn ich wollte diesen Sommerabend einfach einmal unbeschwert und mit mir allein genießen. Ich stellte den Laptop auf dem Tisch neben den Windlichtern ab und schaltete den Fernseher an. Dann ging ich in meine frischgeputzte Küche, in der es angenehm nach Zitrone roch, und schenkte mir den restlichen Weißwein ein. In der Glotze lief „Der letzte Bulle“ mit Henning Baum, eine der wenigen Serien, die mir gefiel. Und dieser Baum war nun auch nicht von schlechten Eltern trotz seines Alters. Ich streckte meine Beine auf meinem Sofa aus und nippte an meinem Glas. Dann schnappte ich mir meinen Laptop, platzierte das Teil auf meinem Schoß und klappte den Deckel auf. Ich loggte mich bei Facebook ein und checkte zunächst meine Mails. Eine alte Schulfreundin hatte mir eine Freundschaftsanfrage gesendet. Sie hieß Mona und lebte in der Nähe von New York. Es war doch immer wieder erstaunlich, wo die Menschen überall so landeten. New York! Respekt, dachte ich und bestätigte ihre Freundschaftsanfrage. Soweit ich mich erinnerte, war Mona ein eher langweiliger Typ gewesen. Sie war eine supergute Schülerin, teilte uns aber nach jeder Arbeit mit, dass sie diesmal mit Sicherheit eine Fünf geschrieben hatte. Was natürlich nicht eintrat, im Gegenteil. Ich glaube, eine Drei war das Schlechteste, was sie jemals abgeliefert hatte. Ich ging auf ihre Profilseite und klickte mich durch die Bildergalerie. Offensichtlich hatte Mona jetzt etwas mit Yoga zu tun, denn auf den meisten Bildern saß sie im Lotossitz und blickte entrückt in die Kamera. Ich stellte mein Glas zurück auf den Tisch und klickte mich zu Leons Profil. Seit er bei mir eingezogen war, hatte er nichts gepostet oder sonst etwas an seinen Einstellungen geändert. Mein Mitbewohner hatte außer mir immer noch drei Freunde (alle männlich) und außer seinem Profilbild kein einziges Foto hochgeladen. Seine Interessen waren weiterhin: Computer, Tischtennis und World of Warcraft.
Ich meldete mich bei Facebook wieder ab und rief meine Lieblings-Shoppingseite mytheresa.com auf. Entspannt lehnte ich mich zurück und stellte den Fernseher leiser. Ich klickte auf den Menüpunkt new arrivals und informierte mich über die aktuellen Angebote, die für mich wie immer unbezahlbar waren. Ich entdeckte ein traumhaftes Kleid von Dolce und Gabbana aus fließendem seidig glänzenden Stoff mit schwarzer Spitze für schlappe 1.600 Euro und einen wunderschönen mattbraunen Shopper von Salvatore Ferragamo für 990 Euro. Sehr schön war auch das elegante Printkleid im aktuellen Wickellook von Roberto Cavalli, das fast 800 Euro kostete. Herrlich! Leider war auf meinem Konto totale Ebbe, ich gab immer so viel aus, wie ich verdiente. Meine Eltern hatten für mich einen Bausparvertrag abgeschlossen, in den sie regelmäßig einzahlten, an das Geld kam ich aber nicht dran. Mein Vater wollte, dass ich mir in ein paar Jahren eine Immobilie kaufte, falls ich bis dahin noch nicht verheiratet war. „Eine Immobilie ist die beste Geldanlage“, pflegte mein Dad zu sagen.
Leider war kein Wein mehr in meinem Glas, deshalb musste ich mich aufraffen, um in der Küche nach einer neuen Flasche zu suchen. Als ich gerade den Vorratsschrank öffnete, hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde. „Hi“, begrüßte mich Leon und hielt mir eine Flasche mit Weißwein entgegen, als hätte er meine Gedanken erraten. Er sah frisch und gut gelaunt aus, nahm seine Brille ab und putzte sie mit dem Zipfel seines weißen T-Shirts. „Es gibt etwas zu feiern“, sagte er gut gelaunt, „ich habe eine Wohnung gefunden. Ende August bist du mich los.“ Ich ließ mich auf den Küchenstuhl fallen, die Weinflasche zwischen meinen Beinen, und starrte ihn ungläubig an. „Wie ging das denn jetzt so schnell?“
Er öffnete den Wandschrank. „Ganz einfach“, erwiderte er lächelnd, „ich übernehme Neles Wohnung.“
Er stellte zwei Gläser auf den Küchentisch, zog die Schublade auf und kramte einen Flaschenöffner heraus.
Ich gab ihm die Weinflasche, die ein kaltes Gefühl zwischen meinen Beinen hinterlassen hatte und strich mein Kleid über die Knie. Leon steckte das Gewinde des Flaschenöffners in den Korken und hielt einen Moment inne. „Das Kleid steht dir sehr gut.“
„Danke“, antwortete ich frostig. „Wieso Neles Wohnung?“
Leon
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