Froschkuss (German Edition)
nur kurz und deutete – wie schon so oft – auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. Er studierte aufmerksam einen Stapel von Papier, der vor ihm lag. Die Analysen von Kruse und Johannsen?
„Was gibt es denn?“
„Tja“, begann Lars und fixierte mich mit seinen grüngrauen Augen. Er runzelte die Stirn und die Narbe über seiner Nase wölbte sich nach vorn. Sein Gesicht wirkte auf mich noch kantiger als sonst. Er sah sehr männlich aus und wie jemand, der sich seiner Macht überaus bewusst war. Er lehnte sich in seinem Stuhl nach hinten. „Ich will es kurz machen“, sagte er und blickte wieder auf seine Unterlagen, als ob er etwas ablesen würde. „Die Ergebnisse von Kruse und Johannsen sind eindeutig. Wir müssen sparen, vor allem im Personalbereich.“ Er beugte sich nach vorne, stützte die Ellenbogen auf der Tischplatte auf und holte kurz Luft. „Es tut mir leid, aber dein Arbeitsvertrag wird nicht verlängert.“
„Das habe ich mir schon gedacht“, erwiderte ich reserviert.
„Es liegt nicht an dir und deiner Arbeit“, fuhr Lars fort, „aber es lässt sich nicht ändern. Die Redaktion wird nach Hamburg verlegt, wenn du willst, kannst du als Freie für uns arbeiten.“
„Das muss ich mir noch überlegen“, antwortete ich kühl. „Was wird aus dir? Bleibst du Herausgeber und Chefredakteur?“
„Nur Chefredakteur“, antwortete Lars und blickte auf sein Handy, das neben dem Papierstapel lag. „Bernd Blome wird Herausgeber und ...“ Er unterbrach seine Rede für einen Moment, um sein Handy in die Hand zu nehmen, „... und Celine wird meine Stellvertreterin.“
„Celine?“, fragte ich laut, „na das passt ja.“
„Es ist nicht wie du immer denkst“, erwiderte Lars und schob mit seinem Zeigefinger auf dem Display seines Handys herum. Am liebsten hätte ich ihm das Ding aus der Hand gerissen und an den Kopf geworfen. Schließlich blickte er wieder auf. „Celine und ich sind kein Paar und das Kind ist auch nicht von mir.“
„Ach was!“, sagte ich ungläubig.
Lars beugte sich etwas nach vorn. „Ich werde dir jetzt etwas erzählen, was unter uns bleiben muss: Das Kind ist von Blome.“
„Was!“, schrie ich ehrlich überrascht. „Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“
„Mit Glauben hat das wenig zu tun, ich weiß es.“ Er lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. „Blome ist verheiratet, er hat zwei Kinder. Seine Frau soll nichts erfahren. Sie hat übrigens auch das Geld und nicht er. Auf jeden Fall kann er sich eine Scheidung nicht leisten. Deshalb hat er sich mit mir im April auf Sylt getroffen. Celine und er hatten sich dort heimlich in einem Hotel eingemietet ...“
„Deshalb warst du also dort!“
„Wieso?“, erwiderte Lars irritiert, „ach ja, da haben wir uns ja getroffen, stimmt.“
„Was hat das denn alles mit dir zu tun?“
„Blome bat mich, pro forma als Vater von Celines Baby aufzutreten und mich um sie zu kümmern, wenn er nicht da ist ...“
„Und darauf hast du dich eingelassen? Wie bescheuert ist das denn?“
Lars hielt seinen Zeigefinger vor den Mund: „Nicht so laut, Sonia, das muss ja nun nicht jeder mitbekommen. Ich habe meine Gründe, um das alles mitzumachen.“
„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte ich verächtlich. „Wieviel Geld bekommst du für diesen Deal?“
„Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um Citylight, das kannst du mir glauben. Früher oder später hätten wir dicht machen müssen und nun habe ich die Chance, in Hamburg etwas ganz Großes aufzubauen.“
„Mit Celine an deiner Seite“, bemerkte ich spöttisch, „das wird das Medienereignis des Jahrhunderts.“
„Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen“, sagte Lars genervt und ich spürte, dass er mich jetzt nur noch loswerden wollte. Deshalb beendete ich das Gespräch, wünschte Lars noch einen schönen Abend und verließ das Büro.
Meine Kollegen und auch Gitti hatten in der Zwischenzeit schon Feierabend gemacht und Celine hatte ich den ganzen Tag noch nicht gesehen. Wahrscheinlich hatte sie einen Arzt- oder Geburtsvorbereitungstermin. Ich fuhr meinen Computer herunter und unterdrückte das Gefühl, einfach loszuheulen. Das war alles so etwas von ungerecht! Da ich es vermeiden wollte, Lars noch einmal über den Weg zu laufen, beeilte ich mich, das Büro zu verlassen. Ich schmiss meine Tasche in den Fahrradkorb, öffnete das Schloss und schwang mich auf meinen Drahtesel. Ich trat kräftig in die Pedale, um meinen Frust abzureagieren, und als ich
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