Frost, Jeaniene
anderes erwartet.«
Roms
Finger schlossen sich um ihre Handgelenke. Denise schwor sich, sie würde nicht
schreien, aber kaum hatte die Prozedur begonnen, konnte sie nicht anders.
Spade
hörte die Stimmen wie aus weiter Entfernung.
»...
Leichnam, männlich, weiß, Alter: Ende zwanzig, Anfang dreißig, keine
Ausweispapiere«, skandierte eine Frauenstimme. »Todesursache scheint eine
Stichwunde zu sein. Das Messer steckt noch im Hals des Opfers ...«
Mist,
dachte Spade, während er auf die schlagenden Herzen und das Getrampel um sich
herum lauschte. Er war wohl in Ohnmacht gefallen und für tot gehalten worden.
Den Geräuschen nach gab es zu viel Publikum, als dass er einfach aufstehen und
sich mit einem artigen Dankeschön hätte aus dem Staub machen können.
Jetzt, wo
er wieder bei Bewusstsein war, brannte das Silber in seiner Kehle, und er hatte
rasende Kopfschmerzen. Die Schmerzen durch das Silber hatte er ja erwartet,
aber sein Brummschädel war ihm ein Rätsel. Ich habe
einen Kater, stellte er erstaunt fest, als ihm bewusst wurde, wie
schlapp und krank er sich insgesamt fühlte. Und da
dachte ich immer, das hätte ich mit meiner Sterblichkeit hinter mir gelassen.
Aber
wenigstens konnte er klar denken, so schmerzhaft es auch war. Er wusste nicht,
wie lange er aufgrund der Wirkung von Denises Blut halluziniert hatte, aber
irgendwann war ihm klar geworden, dass er das Gift aus seinem Körper bekommen
musste. Da hatte er sich das Messer an die Kehle gesetzt, es hineingestoßen
und durch pure Willenskraft das Blut aus der Wunde gezwungen. Erst als nur noch
ein Tröpfeln kam, hatte er gespürt, wie die schlimmsten Halluzinationen
nachließen. Aber da war er wohl auch schon ohnmächtig geworden.
Und jetzt
musste er sich fotografieren, Fingerabdrücke nehmen und als Mordopfer
registrieren lassen. Warum konnte es den Bürgern von New York nicht einfach
egal sein, wenn sie über eine Leiche stolperten, wie in den guten alten Zeiten?
Heutzutage musste aber auch wirklich jeder den guten Samariter spielen.
Noch eine
Stunde musste er so herumliegen, bis die Beamten schließlich mit ihrer Arbeit
fertig waren. Dann endlich wurde Spade in einen Leichensack gepackt und in
einen Rettungswagen verladen. Er wartete noch ab, bis das Fahrzeug sich ein
gutes Stück vom Park entfernt hatte, bevor er die dicke Plastikhülle mit einem
Reißzahn aufschlitzen und öffnen konnte.
»Jesus!«
Ein
kreidebleicher Rettungssanitäter starrte ihn entsetzt an. Spade riss sich das
Messer aus der Kehle, steckte es in seinen Hosenbund und schenkte dem jungen
Mann ein kühles Lächeln.
»Mitnichten,
mein Freund.«
Der Wagen
schlingerte, als der Fahrer ihm einen ebenso panischen Blick zuwarf. Spade
verdrehte die Augen. Der Ärmste würde noch einen Unfall bauen, wenn er nicht
aufpasste.
»Achten
Sie auf die Straße«, wies er ihn an, und ließ seinen Vampirblick auf die
Männer wirken. »Sie haben nicht gesehen, wie ich zu mir gekommen bin. Sie
wissen nicht, was mit mir passiert ist.«
»Wissen
wir nicht«, murmelten die Sanitäter einmütig.
Spade
kletterte nach vorn und stieg aus, ohne sich die Mühe zu machen, die Männer zum
Anhalten zu bewegen. Ein schneller Sprung in den fließenden Verkehr, schon war
er wieder auf dem Bürgersteig, unterwegs in Richtung Plaza. Er wollte
unbedingt zurück zu Denise. Er hatte ihr eine Menge Blut ausgesaugt, als der
Rausch ihn überwältigt hatte. Bei ihrer Ankunft im Hotel hatte sie zwar einen
ganz stabilen Eindruck gemacht, aber was, wenn sie hinterher in Schock
verfallen war?
Als er die
befremdlichen Blicke der Passanten bemerkte, fiel ihm wieder ein, dass er
blutbeschmiert und mit nacktem Oberkörper unterwegs war. Spade verbarg sich in
einem Hauseingang und schnappte sich die nächste Person, die an ihm vorbeikam.
»Ruhig«,
redete er auf die junge Frau ein, die er mit leuchtenden Augen fixierte.
»Geben Sie mir Ihren Mantel.«
Ohne
Widerworte reichte sie ihm das Kleidungsstück. Spade zog es über. Der Mantel
war ihm ein paar Nummern zu klein, bedeckte aber alles Nötige, und er musste
ihn ja nicht lange tragen.
»Gehen
Sie«, wies Spade die Frau an.
Dann
setzte er seinen Weg zum Plaza so schnell fort, wie es ihm möglich war, ohne
von seinen übernatürlichen Fähigkeiten Gebrauch zu machen. Drinnen allerdings
nahm er statt des Aufzugs das Treppenhaus. Ein beherzter Satz nach oben, und
innerhalb von neunzehn Sekunden lagen die vielen Stockwerke hinter ihm.
Kaum hatte
er die Flurtür
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