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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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nach ihrer Aufmerksamkeit. Sie
roch eine Kreatur wie ihresgleichen. Sie hob den Kopf und knurrte. Fand sich
Schnauze an Schnauze ihm gegenüber. Seine eiskalten
grünen Augen erwärmten sich ein wenig, als sich ihre Blicke trafen. Er
wirkte beinahe verlegen.
    Er hatte versucht, sie zu töten. An die Einzelheiten konnte sie sich nicht länger erinnern, aber es war
gleichgültig. Er hatte versucht, sie zu töten.
    Es ging um Blut zwischen ihnen, und das musste geklärt werden.
    Um welche Belange es sonst noch gehen mochte – sie konnten
warten.
    Mit einem Knurren aus tiefster Kehle rollte sie sich auf die Pfoten
und fletschte die Zähne.
    Den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, trat er näher und stieß ihr die Schnauze in die Flanke. Er wollte
sich entschuldigen, das war ihr durchaus klar. Zwischen seinen Schultern
sträubten sich die Haare, ein wie ein Sattel geformtes Stück Fell hob sich und
entspannte sich wieder – ein Signal und ein Angebot.
    Er hatte versucht, sie zu töten. Und er würde es wieder versuchen,
falls sie ihn nicht aufhielt. Falls sie ihn nicht
zuvor tötete. Ja, das ergab einen Sinn. In ihr brannte der
Blutdurst – ein ganz neues Gefühl, das sich aber so alt wie die Zeit
selbst anfühlte. Als sei es in ihre Knochen geschnitzt worden.
    Töte ihn, töte, töte, dachte sie im Rhythmus ihres hechelnden Atems. Töte, töte, töte – der
Gedanke pochte wie ein Trommelschlag im Kopf, pulsierte auf der Zunge.
Ihre Gedanken waren keine menschlichen Gedanken. Sie waren viel einfacher.
Reiner. Es bestand keine Notwendigkeit, sie zu
überprüfen und ihnen einen Wert beizumessen. Töte, töte, töteihn, töte.
    Die Hinterbeine der Wölfin waren
wie mächtige Federn. Sie sprang auf und schlug ihm ihre starken
Vorderbeine in den Nacken, ihre Pfoten rissen an der Haut unter dem dichten
Fell. Sie zog die Krallen zwischen seine Schulterblätter und riss den Rachen
auf, um nach seiner Kehle zu schnappen.
    Er drehte sich unter ihr und rollte von dem Angriff fort. Sie sprang
seitwärts, um erneut zuzustoßen, aber bevor sie genügend Schwung hatte, krachte
er wie ein Güterzug in sie hinein. Sein ganzes Gewicht traf sie unmittelbar
neben ihrem Mittelpunkt. Sie flog mit ausgestreckten
Beinen durch die Luft und rutschte schmerzhaft auf dem Rücken über den
Waldboden. Sie sah nicht, wo er war.
    Ihr verletzlicher Bauch war entblößt. Mit einem Ruck eines jeden
Glieds bäumte sie sich mit müheloser Schnelligkeit auf. Sie erhob sich auf die
Pfoten und spreizte die Zehen, um auf dem weichen Boden einen besseren Halt zu
finden. Falls er sich wieder auf sie stürzen
sollte, wollte sie bereit sein. Sie hob die Schnauze und atmete tief
ein. Die Gerüche des Walds füllten ihren Kopf, und sie erkannte mühelos seinen
besonderen Duft. Er rannte vor ihr davon, eilte mit schnellen Bewegungen an den
Bäumen vorbei.
    Die Wölfin warf einen Blick nach
hinten auf den Knöchel, der verletzt gewesen war, als sie in ihrer
menschlichen Gestalt gefangen gewesen war. Er schien stark und gesund zu sein.
Sie stieß sich mit den Hinterbeinen ab, sprang über einen Haufen abgefallener
Äste und folgte ihm.
    Auf seiner Spur zu bleiben, war die einfachste Sache der Welt,
obwohl sie ihn nicht sah. Ihre Augen befanden sich kaum dreißig Zentimeter über
dem Boden und erkannten wenig mehr als das Unterholz. Aber er rannte voller
Angst und hatte es viel zu eilig, um leise zu sein. Ihre Ohren zuckten, als sie
ihn durch Gesträuch und Büschel voller Schösslinge krachen hörte.
    Oh, wie sich die Welt anhörte! Eine große, seufzende, schluchzende,
lachende, jauchzende, schreiende Melodie von Dingen, die sich durch die Zeit
bewegten. Wie sehr sie sich doch danach sehnte, einfach nur dazusitzen und zu
verfolgen, wie sich der Planet drehte. Dem Atmen all seiner Kinder zuzuhören,
dem Klopfen ihrer Herzen, der Luft, die brausend durch ihr Fell strich! Aber
dazu war jetzt keine Zeit. Dies war der Augenblick, um zu töten .
    Die Wölfin trieb sich stärker an, um ihn einzuholen, und trabte
eiliger durch den Wald, als sie sich das je hätte vorstellen können. Die in den
verrücktesten Winkeln wachsenden Baumstämme ringsum verschwammen, während ihr Körper vor Schnelligkeit zuckte.
Ihre Beine fanden wie von selbst den richtigen Pfad, ihre breiten Pfoten
berührten kaum den Boden, bevor sie weiter nach vorn schnellten. Sie öffnete
die Schnauze und ließ die Zunge hängen, während der Boden unter ihr
hinwegschmolz.
    Vor sich witterte sie

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