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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Schließlich hatte sie ihm zuvor
schon viel mehr zugestanden – und die Situation war wenig dazu angetan,
sich zimperlich zu gebärden. »Bitte sag mir, dass du meine Botschaft bekommen
hast. Dass ich meinen Rucksack verloren habe.«
    Er grinste hämisch. »Ich kann
nicht glauben, dass du deine Waffe verloren hast. Weißt du eigentlich,
wie teuer die Dinger sind?« Er griff in die Jacke und zog eine kantige schwarze
Handfeuerwaffe hervor. Er ließ das Magazin herausgleiten und reichte es ihr,
damit sie die Munition überprüfen konnte.
    Die sieben Patronen in dem Clip waren mattschwarz gefärbt, aber sie
wusste, dass sich darunter 955er Silber befand.

20   Eine
Ente segelte heran und landete flügelschlagend auf der spiegelglatten
Oberfläche des Sees. Samtige dicke Wellen strebten von ihrem Körper fort, als
sie majestätisch weiterschwamm. In der Brise vom Wasser rauschten die Espen.
    Cheys Waffe beschrieb einen Bogen, als wäre sie auf einem Kugellager
montiert, und zielte auf die Ente. Dabei fühlte es sich an, als würde sich der
Arm nicht bewegen. Chey hatte lange und hart trainiert, damit es sich so
anfühlte.
    »Vergiss nicht«, sagte Fenech, »du musst dicht dran sein.«
    »Ich weiß. Das sagtest du schon.«
Sie schob die Pistole in die hintere Hosentasche.
    Die wissenschaftlichen Voraussetzungen waren ihr klar.
Handelsübliche Bleikugeln waren weich genug, um leicht die Form zu verändern,
wenn sie den Pistolenlauf passierten und sich den Rillen im Laufinnern
anpassten. Darum traten sie rotierend aus der Mündung aus, und diese Rotation
bewirkte, dass sie größtenteils in einer fast geraden Linie flogen.
Silberkugeln waren härter als Blei und veränderten ihre Form nicht so ohne
Weiteres. Weil sie sich nicht drehten, musste man mit einer viel höheren
Wahrscheinlichkeit rechnen, dass sie mitten
im Flug von der gewünschten Geschossbahn abwichen – was sie weitaus
weniger zielgenau machte, vor allem bei größerer
Reichweite. Chey wusste das alles. Sie wusste es besser als er, aber er
würde es ihr trotzdem erklären. Bobby gehörte zu jenen Leuten, die gern alles
wiederholten, um es zu unterstreichen. Er ging immer davon aus, dass das
Gedächtnis anderer nicht so gut war wie sein eigenes. »Bei mehr als zwanzig
Metern triffst du vermutlich nicht einmal einen Waldbison.« Er lächelte über
seinen Scherz. »Also musst du ganz dicht heran.«
    »Dicht«, sagte sie. »Kapiert.«
    Sein Lächeln wurde breiter. Wärmer. Auf seine eigene Weise konnte er
wirklich liebevoll sein, sogar fürsorglich. »Wie geht es dir?«, fragte er. »Es
war sicher nicht einfach, so weit zu kommen. Aber du siehst toll aus.
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dich hungernd und halb erfroren
aufzufinden, aber du siehst aus, als wärst du im Fitnessstudio gewesen. Hast du
herausgefunden, dass das Leben im hohen Norden dir guttut?«
    Sie nickte und biss sich auf die Unterlippe. Wie sollte sie es ihm
beibringen? Würde er ausrasten? Würde er sie auf der Stelle erschießen?
    »Bekanntlich habe ich dich immer für verrückt gehalten, weil du auf
diese Weise zu Fuß gehen wolltest.«
    »Das war der einzige Weg. Meine Tarngeschichte lautete, dass ich
mich hoffnungslos verlaufen hatte und dem Tod nahe gewesen war. Ich musste dementsprechend
aussehen – jedenfalls schlimm genug, um jemanden zu täuschen, der seit
Jahrzehnten in diesen Wäldern lebt.«
    »Hast du ihn schon gesehen?«, wollte Fenech wissen. Ihre Nachricht
war sehr knapp gewesen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was ihr zugestoßen
war. »Hast du den Kontakt hergestellt?«
    »Ja«, sagte sie. »Ja, ich habe den
Kontakt hergestellt. Etwa zwei Kilometer von hier entfernt haust er in einer
Hütte auf einer kleinen Lichtung. Er lebt dort mit einem anderen Kerl, einem
Dene-Indianer namens Dzo.«
    Bisher hatte sie angenommen, dass der Hubschrauberpilot schlief. Als
sie jedoch Dzos Namen erwähnte, stieß er ein amüsiertes Grunzen aus.
    »Findest du etwas witzig, Lester?«, fragte Fenech mit einem schiefen
Grinsen im Gesicht.
    Der Pilot setzte sich halb auf. Seine Augen lagen unter schweren
Lidern verborgen, aber sie funkelten, als sie Cheys Blick erwiderten.
»Vermutlich ist das nicht sein richtiger Name, das ist alles«, sagte der Pilot.
    Fenech wandte sich halb um. »Ist das kein gebräuchlicher Dene-Name?«
    Der Pilot hob die Schultern. »Auf North Slavey ist das die
Bezeichnung für Bisamratten. Pelzige kleine Biester. Das klingt so, als würde
man dich

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