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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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gepresst. Sie jaulte entsetzt auf und fiel zurück,
krümmte sich zusammen und suchte nach der Quelle des schrecklichen, schneidenden
Schmerzes. Ihre Zunge fuhr über das Bein, und sie schmeckte Feuer. Sie
schnüffelte an der Verletzung und roch etwas Neues. Zumindest für sie war es
neu. Etwas, mit dem sie nie zuvor in Berührung gekommen war. Und doch … Tief in
ihren Knochen begriff sie sofort, worum es sich handelte. Silber. Silber wie
die Farbe des Monds, die Farbe des Himmelskörpers, der sie beherrschte.
    Ein Ring daraus schmiegte sich um ihren Hinterlauf. Der Ring war mit
einem Silberseil um einen Baum gewickelt. Dieses Band konnte sie nicht
zerreißen. Beim Versuch, es durchzubeißen, würden ihre Zähne abbrechen und ihr
Zahnfleisch bluten. Es war stärker als sie. Sie begriff sofort, dass sie
gefangen war, und sie wusste, dass die Männer sie gefangen hielten.
    Sie hätte es nicht für möglich gehalten, diese Männer noch mehr
hassen zu können, als sie es bereits tat, sich mit unvorstellbarem Zorn und
Verlangen danach zu sehnen, ihre Kehlen zwischen den Zähnen zu spüren. Aber es
war tatsächlich so. Jede Zelle ihres Körpers brannte vor diesem Verlangen. Und
obwohl sie danach lechzte und flehte und knurrte und kämpfte und es so dringend
brauchte, war sie an Ort und Stelle gefesselt. Sie konnte weder springen noch
laufen oder kämpfen. Ein Wimmern entfuhr ihrer Kehle, das einfach nur
erbärmlich klang, wie sie allzu genau wusste, aber sie konnte nichts dagegen
unternehmen. Loslassen, loslassen, loslassen, loslassen , hechelte sie im Rhythmus ihres Zorns und
ihres Entsetzens, der in ihrem Schädel pulsierte. Freiheit,
Freiheit, Freiheit, lasst mich frei!
    Einer der Männer, der bleichere von den beiden, kam mit gebeugten
Knien auf sie zu. Zum Zurückspringen bereit, sollte sie nach ihm schnappen.
Sollte sie sich bewegen können, nur einen winzigen Augenblick lang frei sein, würde sie sein Gesicht und seine Brust zerfetzten
und das Blut seines heißen Herzens auflecken. Er kam näher, die Hand
ausgestreckt, als wolle er sie beruhigen. Welch ein Narr! Aber obwohl der Blutdurst mit seinen schmierigen Pfoten ihren
Blick verschleierte, wusste sie, dass sie ihm nichts antun konnte,
jedenfalls nicht, bevor er noch ein Stückchen näher kam. Näher,
näher, noch ein Stückchen näher , näher …
    Ein wenig außerhalb ihrer
Reichweite blieb er stehen. Von purem Verlangen getrieben, schnappte sie
trotzdem nach ihm, vergeblich. Er bedachte sie mit einigen dieser hassenswerten
Laute, aber während die menschlichen Silben zuvor guttural und quälend
geklungen hatten, waren diese weich und leise wie das Fell am Bauch eines
Waldmurmeltiers.
    Sie kam nicht an ihn heran. Sie konnte die Kette nicht durchbeißen.
Ihr Knurren war sinnlos. Sie war machtlos.
    Da kam ihr ein Gedanke. Noch während er mit diesen leisen Tönen zu ihr sprach, noch während er sie
musterte, leckte sie noch einmal über das Metall. Das Silber brannte wie
Eis auf der Zunge. Dann schloss sie die Schnauze und die gewaltigen Zähne um
ihren Knöchel und durchtrennte den Knochen mit einem schnellen Biss. Es
schmerzte, als ihr Bein brach, als Haut und Muskeln rissen. Es schmerzte, als
ihre Pfote wie ein Stück totes Fleisch abfiel. Aber der Silberring um ihr Bein
klirrte zu Boden, und plötzlich war sie frei.

34   Chey
erwachte mit dem Gesicht in einer Schneewehe, die Finger wie Krallen in die
Erde gegraben. Ihr ganzer Körper schmerzte und pulsierte – ein
unerträgliches Jucken im linken Bein zwang sie, laut aufzuschreien.
    Sie rollte sich auf den Rücken und starrte in den Himmel. Die Sonne
stand hoch über ihr, aber ihr Licht schien sie nicht wärmen zu können. Ihr Atem
verwandelte sich noch in ihrem Mund zu Nebel.
    Sie setzte sich auf – ihr Körper protestierte, ihre
Nackenwirbel krachten laut – und packte das Bein, knetete die Muskeln und
versuchte die Durchblutung in Gang zu bringen. Entsetzen durchfuhr sie, als
ihre Hände die Wade berührten und nur wunde, blasenübersäte Haut fanden. Sie
blickte nach unten und entdeckte etwas wie eine Brandnarbe. Dort hatte sie die
Silberkette gefesselt. Sie wusste, dass Silber sie töten konnte, die Wölfin
töten konnte. Anscheinend verletzte sie schon der bloße Kontakt mit dem Metall.
    Dann stockten ihre Gedanken. Etwas stimmte nicht. Bobby hatte sie
angekettet, damit sie weder ihm noch Lester etwas antun konnte. Die Kette hatte
sie sogar während ihrer Verwandlung gehalten – daran

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