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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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in der Nähe auf, in unmittelbarer Nähe. Es war nicht der Mensch, den
sie haben wollte, nicht der Mann, der sie eingesperrt hatte. Aber für den
Anfang würde er reichen. Sie fuhr herum, und ihre Pfoten rutschten auf
Kieferzapfen und Kiefernnadeln aus. Ihre zuckenden Ohren versuchten seinen
Aufenthaltsort zu ermitteln. Sie erinnerte sich daran, was man ihr über die
Jagd beigebracht hatte, und ließ sich auf dem Boden nieder. Der kalte Boden
drückte ihr gegen den Leib, die Gelenke waren gekrümmt, angespannt wie
Spinnenbeine unmittelbar vor dem Angriff.
    Der Mensch eilte tollpatschig wie ein Bär zwischen den Bäumen umher.
Machte so viel Lärm, dass sie beinahe zusammengezuckt wäre. Sein Gestank war
vielschichtig – Metall, Holz, Leder, Wolle, Körpergeruch, Fleisch, Urin.
Er leuchtete in der kalten Luft wie ein abstraktes Bild, ein wildes Spektrum an
Gerüchen.
    Er rief nach ihr, aber sie antwortete nicht. Er schlich näher. Er
war groß, groß für einen Menschen, größer als sie. Seine Knochen waren lang,
und sie hörte seine Gelenke knirschen. Sie roch seine Haut. Roch sein Blut.
    Wieder rief er. Er wusste, dass sie da war, dass sie auf ihn
lauerte. Ihre Lefzen gaben die gewaltigen Zähne frei. Schön, dachte sie. Schön,
schön, schön. Sollte er es doch wissen. Sollte er sie mit diesen kalten
Menschenaugen sehen. Sollte er sie riechen und schmecken und berühren. Sie
würde sich nicht bewegen. So lange nicht, bis es … so weit war.
    Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich die Wölfin auf alle vier
Beine, sträubte den Fellsattel zwischen den Schultern wie eine Kriegsfahne. Er
war in Bissweite, dicht genug, dass er sie mit seinen Menschenhänden anfassen
konnte. Er hielt ein Stück Metall in den Händen und riss es hoch, Metall und
Holz und Öl und … und … und ja … sie roch Silber, und dann knallte es laut,
explodierte in die Dunkelheit hinein wie zuvor das weiße Rohr am Turm. In
diesem Laut lag Gefahr, das wusste die Wölfin, wusste, dass der Tod nahte. Sie
fühlte Silber über ihre Haut gleiten, kleine Silberstücke verfingen sich in
ihrem Fell und brannten, und sie heulte auf, aber das Silber bohrte sich nicht
in ihre Haut.
    Das Silber war weg. Es hatte sie nicht durchbohrt. Es hatte sie
nicht getötet.
    Jetzt war sie an der Reihe.

48   Mit
weit aufgerissenem Rachen schnellte die Wölfin herum und packte den Mann. Seine
Waffe fiel zu Boden, er schrie, und ihr Blut
jubilierte. Ihre Schnauze schloss sich wie ein Schraubstock, und sie
verdrehte und zog und riss, und das Brechen seiner Beinknochen hallte ihr durch
den Schädel. Sie hörte, wie sie gegen ihren Gaumen stießen. Sie schmeckte sein
Blut auf der Zunge.
    Schmerz und Angst schossen durch seinen Körper, und sie jubelte. Sie
schüttelte sich wie unter Krämpfen, als sie an seinem Fleisch riss und ganze
Stücke von ihm hinunterschlang. Er jammerte und heulte, warf sich von ihr weg,
und ein Teil von ihm riss sich los. Sein Bein riss in ihrer Schnauze auf, und
er kippte wie ein gefällter Baum. Sie schluckte sein Blut und sein Fleisch und
warf sich auf den übrigen Körper. Blutgier vernebelte ihr die Sinne – sie
kannte nur noch den Angriff, stürzte sich auf
ihn. Seinen heranrasenden Arm sah sie nicht kommen, hätte nicht einmal
gedacht, dass er überhaupt noch die Kraft zu einer Bewegung besaß. Und als
seine Faust auf ihren Schädel krachte und ihr empfindliches Ohr quetschte,
kläffte sie schrill und fiel zur Seite.
    Lichter tanzten ihr vor den Augen. Ihre Reißzähne bissen ins Leere,
nur noch in die Luft. Ihre Pfoten trommelten auf den Teppich aus abgestorbenen
Blättern und Kiefernnadeln. Was war geschehen? Wie hatte er … hatte er sie
verletzen … wie …
    Käfergleich kroch der Mann in die Finsternis hinein, seine Hände
griffen nach Schnee und Steinen. Die Wölfin schüttelte sich, versuchte die
Benommenheit abzustreifen, die dröhnende Taubheit im Kopf. Als sie sich erholt hatte, war er verschwunden. Sie fuhr
herum, knickte mit den Vorderbeinen ein, fuhr mit der Nase über den
Boden, schnüffelte nach ihm. Weit konnte er nicht gekommen sein. Sie hatte ihn
schwer verletzt, das wusste sie.
    Einen Schritt, dann den nächsten und einen weiteren. Sie roch Wasser
und den kalten Wind, der wie der Saum eines Geisterhemds flatterte. Der nächste
Schritt und – nein. Sie stand an einem Steilhang und blickte auf ein
tiefer gelegenes Flussbett hinunter. Der Mann war den fast senkrechten,
unebenen Hang in das Wasserrinnsal

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