Frostblüte (German Edition)
dem Mann, der allein auf der Hügelkuppe stand. Der Mann zog sein Schwert und winkte den Wolf mit der Hand heran.
Der Wolf rannte auf seinen Herausforderer zu.
»Du bist beeindruckend«, sagte der Mann vorsichtig und wich zurück. »Völlig vergeudet an die Berggarde. Luca das Hasenherz weiß dich bestimmt nicht zu schätzen –«
Der Wolf schwang die Axt über den Kopf des Mannes. Die Klinge prallte mit einem dumpfen Klirren von dessen Schwert ab, der Wolf knurrte. Er verwandelte den Rückprall der Axt in eine Drehung, duckte sich unter dem nächsten Hieb des Mannes durch und zielte mit der Axtklinge auf dessen Seite.
Wieder wehrte der Feind im letzten Moment ab. Die Axt traf knirschend auf die Schwertklinge, Metallfunken sprühten.
Da rief eine neue Stimme: »Hier sind sie! Angriff! «
Der verborgene Teil meines Bewusstseins, der nur mir gehörte, meldete sich, erkannte Livias Stimme.
Der Wolf knurrte, als noch mehr Männer und Frauen auf die Lichtung strömten, diese in einer anderen Uniform. Sie griffen die übrig gebliebenen Feinde der ersten Gruppe an.
»Ich glaube, ich muss gehen«, sagte der Hauptfeind und trat hastig zurück. »Männer! Zu mir!«
Der Wolf spürte von hinten einen Schlag kommen und wirbelte herum.
Er holte zu einem gewaltigen Axthieb aus, der die Brust des neuen Angreifers spaltete, dann löste er sein Opfer mit einem kräftigen Tritt von der Klinge.
Als sich der Wolf wieder umdrehte, sah er den Hauptfeind in den Wald fliehen, hinter sich die wenigen Männer, die überlebt hatten. Der Wolf stieß ein wütendes Bellen aus und drehte sich zu den Neuankömmlingen – zu denjenigen, die seine erhoffte Beute vereitelt hatten.
Tief in mir gefangen, kämpfte ich mit aller Kraft. Durch die silbrig gefärbte Sicht des Wolfes konnte ich die Bergwächter zwischen den Bäumen herankommen sehen, ihre Gesichter waren freundlich und erleichtert. Sie schoben ihre Waffen wieder in die Scheide. Sie glaubten die Gefahr überwunden, den Feind verschwunden.
Nicht, Wolf! Nicht!
»Habt ihr zwei die alle erledigt, Frost?«, rief Livia, als sie auf den Wolf zurannte und die Leichen der Aufrührer zwischen den Bäumen liegen sah. »Warum haben wir uns überhaupt Sorgen um euch gemacht! Alles in Ordnung mit dir?«
»Livia, bleib weg von ihr!«
Ich hörte Arians Warnruf und schrie innerlich, ich schlug und trat gegen die kalten Fesseln, die mich zu einer Gefangenen in meinem eigenen Körper machten. Nein, nein, nicht Livia. Nein!
Der Wolf schwang die Axt und stürzte sich auf die grauhaarige Frau.
Livia konnte dem Hieb gerade noch ausweichen und sprang zurück, der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Frost, beruhige dich«, redete sie mir bedächtig zu. »Ich bin’s.«
»Was hat sie denn?«, rief jemand atemlos. Durch die Augen des Wolfes sah ich andere auf uns zueilen, sie sahen besorgt aus.
»Zurück!«, brüllte Arian. Er kämpfte sich den Hügel hinauf, er musste sich an Bäumen festhalten, um auf den Füßen zu bleiben. »Sie spürt nur blinde Wut; sie erkennt euch nicht.«
Livia war ein Stück zurückgewichen und drehte sich zu Arian um. Als der Wolf merkte, dass der Feind abgelenkt war, stürzte er vor und holte zu einem hinterhältigen Hieb auf ihren Hals aus.
Livia drehte sich gerade noch rechtzeitig um, was ihr das Leben rettete. Die scharfe Axtklinge traf ihre Schulter und hinterließ einen langen, tiefen Schnitt. Sie schrie vor Schmerz, taumelte rückwärts und ging in die Knie. Die anderen Bergwächter kamen schreiend den Hang hochgerannt.
NEIN!
Plötzlich gehörte mein rechter Arm wieder mir. Meine geschwächten menschlichen Finger hielten den Schaft der Axt und ich umklammerte ihn mit aller Kraft, als der Wolf erneut nach Livia schlagen wollte. Die Axt zitterte, schnellte hoch und wieder nach unten, als ich gegen die Macht ankämpfte, die meinen Körper in der Gewalt hatte. Der Wolf fletschte die Zähne. Er schnappte und knurrte frustriert.
Nein. Nein. Nein.
Die Umgebung bekam langsam wieder leuchtende Farben. Ich starrte auf Livia, die reglos auf dem Boden lag.
Blut – ein helles Rot, das meine farbentwöhnten Augen schmerzen ließ – lief ihr über die Hand, die sie auf die Wunde presste. Sie war leichenblass, ihr Atem ging flach.
Meine Finger, durch die wieder menschliche Wärme strömte, waren feucht und rutschig. Die Axt entglitt mir fast. Die Lippen des Wolfes verzogen sich zu einem Knurren. Die übrigen Bergwächter hatten uns nun fast erreicht, sie zogen die
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