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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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sich endlich einmal austauschen zu können, ohne diese unsicheren Blicke zu spüren! Selten hatte ich mit jemandem gechattet, der so unaufdringlich und einfühlsam war. MTS war bestimmt schon älter als die meisten der Schüler, die sich im Chat herumtrieben. Das merkte ich an dem, was und vor allem wie er schrieb. Doch das waren alles nur Überlegungen, die ich nicht begründen konnte. Bauchgefühle.
    Als ich meinen Computer herunterfuhr, war es bereits kurz vor Mitternacht. Plötzlich wünschte ich, die Unterhaltung mit MTS hätte länger gedauert. Ich unterdrückte den Impuls, den Rechner noch einmal zu starten. Auch so hatte ich viel zu viel über mich verraten, während ich über MTS so gut wie gar nichts wusste.
    Ich wusste nicht mal, ob er Julia auch gekannt hat. Wenn ja, dann würde es bestimmt in ihren Tagebuchaufzeichnungen stehen. Morgen würde ich zu Mechats gehen und nach ihnen suchen.
    Außerdem würde ich noch einmal all meinen Mut zusammennehmen und bei Leon klingeln. Er konnte mich doch nicht gut vor der Tür stehen lassen, oder? Sicherlich würde er mich hereinbitten. Möglicherweise fand ich in seiner Wohnung Autoschlüssel – oder ein Foto, auf dem sein Auto abgebildet war … irgendetwas eben, was mir weiterhelfen konnte.
    Bereits um acht Uhr wurde ich wach. Es war nahezu still. Das Einzige, das zu mir durch die Wand drang, war leise Musik aus Corinnas Zimmer. Normalerweise hätte ich die Ruhe genossen, doch mir fiel ein, welche Pläne ich für heute hatte. Gestern Abend waren sie mir noch plausibel und durchführbar erschienen, jetzt allerdings bekam ich Zweifel. Durfte ich einfach zu Julias Eltern gehen und sie in ihrer Trauer stören? Ich erinnerte mich an Frau Mechats Worte, als sie sagte, ich gehöre zur Familie. Ja, Julias Eltern würden sich wahrscheinlich freuen, mich zu sehen. Zumindest fiel es leicht, mir das einzureden.
    Etwas anderes war es mit meinem Vorhaben, bei Leon vorbeizuschauen. Mit welcher Begründung sollte ich an seiner Tür läuten? Oder sollte ich lieber ins Grätzel gehen und darauf hoffen, dass er ebenfalls auftauchte?
    Erst mal würde ich Frühstück machen, entschied ich. Es war ohnehin noch zu früh, meine Pläne in die Tat umzusetzen. Nachdem ich die Kaffeemaschine befüllt, den Wasserkessel aufgesetzt und Brotscheiben in den Toaster gesteckt hatte, deckte ich den Tisch.
    Ich sah auf die Uhr. Halb neun. Die Zeit, bis man an einem Samstagvormittag bei jemandem auf der Matte stehen konnte, ohne als unverschämt zu gelten, würde quälend langsam vergehen.
    Eine halbe Stunde später kam meine Mutter aus dem Schlafzimmer und lächelte mich an. Wenn sie nicht getrunken hatte, sah sie richtig jung und hübsch aus, sogar mit ungekämmten Haaren und im Pyjama.
    Sie schenkte sich Kaffee ein und setzte sich mir gegenüber. Eine Weile schwiegen wir beide. Krampfhaft versuchte ich, ein Thema zu finden, worüber wir reden konnten, aber mir wollte nichts einfallen. Corinna hätte sicher keine Probleme, ein Gespräch mit ihr anzufangen. Also sagte ich das Erste, was mir einfiel: »Am Montag ist Julias Begräbnis.«
    Sie sah auf, musterte mich. »Ich weiß. Ich hab mir freigenommen.«
    »Echt? Ich dachte nicht, dass du …«
    Sie seufzte. »Ich weiß, dass ich nicht die beste Mutter bin. Aber sie war deine Freundin. Sie ist bei uns ein- und ausgegangen und du hast mehr Zeit bei ihr verbracht als zu Hause. Natürlich gehe ich hin. Wenn ich mir vorstelle, wie sich ihre Eltern fühlen müssen …«
    »Ich will die Mechats heute besuchen«, sagte ich. Wann hatte ich das letzte Mal meiner Mutter erzählt, was ich vorhatte? Wann hatten wir uns das letzte Mal so unterhalten wie jetzt?
    Sie nickte. »Eine gute Idee. Richte ihnen bitte mein Beileid aus.«
    Ich bestrich eine Brotscheibe mit Butter und klackste einen Löffel Marmelade darauf. Herzhaft biss ich hinein.
    »Und? Was erwartet uns mit Klaus?«, fragte ich, nachdem ich hinuntergeschluckt hatte.
    Meine Mutter lächelte. Sie glättete mit den Händen ihr wirr abstehendes Haar. »Keine Ahnung, ich bin schon so oft enttäuscht worden. Immer dachte ich, ich hätte den Mann meines Lebens kennengelernt und … na ja, du hast ja mitbekommen, was daraus geworden ist. Aber wer weiß? Wir wollen es langsam angehen lassen.«
    »Langsam würde ich das nicht bezeichnen, nachdem du ihn schon zum Abendessen eingeladen hast.«
    »Mir war es aber wichtig, dass ihr ihn mögt. Sonst hätte es gar keinen Sinn, mich auf ihn einzulassen.«
    Schweigend

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