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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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»Als du in meiner Wohnung warst und wir miteinander geredet haben, da dachte ich für einen Moment …«
    »Was denn? Was dachtest du?« Musste ich ihm wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen?
    Leon blickte auf seine Hände und spielte mit seinen Fingern. »Dass du und ich … wir, also …« Er sah mich an, seufzte und gab sich dann einen Ruck. »Dass du mich vielleicht auch magst. Ich … mag dich nämlich. Also, sehr.« Ich glaubte, mich verhört zu haben. Leon mochte mich? Mich? Nach allem, was ich mit ihm abgezogen hatte?
    Als er meinen ungläubigen Gesichtsausdruck sah, lächelte er zaghaft. Mein Herz machte einen Satz, weil er jetzt, in dem Moment, besonders süß aussah.
    Etwas lauter, als würde ihn der Entschluss, endlich mit der Wahrheit herauszurücken, stärken, sagte er: »Julia war wirklich nett, aber eigentlich hast immer du in meinem Kopf herumgespukt.«
    In meinen Ohren rauschte es so laut, dass ich Leons Stimme kaum wahrnahm. Mein Gehirn weigerte sich zu glauben, was ich eben gehört hatte. Nicht Julia. Ich?
    Er sah mir geradewegs in die Augen und ich merkte, wie ich ein wenig rot wurde. Ich versuchte, seinem Blick auszuweichen, aber etwas zwang mich, ihn weiter anzusehen. Ich bemerkte Sanftheit, Zärtlichkeit und einen Funken Angst in seiner Miene. Er mochte mich. Er mochte mich! Obwohl ich mich ihm gegenüber so mies benommen hatte. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Leon hob die Hand und strich eine Strähne, die sich aus meiner Friseur gelöst hatte, nach hinten.
    »Dein Haar ist noch nass«, sagte er überflüssigerweise. Seine Stimme klang ein bisschen tiefer als sonst.
    »Nur ein bisschen«, sagte ich leise. Dort, wo er mich berührt hatte, prickelte es auf meiner Haut.
    Er streichelte weiter mein Haar. Ich nahm seine Hand, hielt sie fest und drückte sie an meine Wange.
    Leon setzte sich zu mir aufs Bett und legte einen Arm um meine Schulter. Ich lehnte mich an ihn. Es war ein unglaublich schönes Gefühl, sich an jemanden – an ihn – anlehnen zu können. Sanft fuhr er mit den Fingern auf meinem Arm entlang. Durch den Pullover war seine Berührung kaum mehr als ein Hauch, trotzdem hatte ich am ganzen Körper Gänsehaut.
    »Du bist mir nicht böse?«, fragte ich. Ich wollte es noch einmal hören.
    »Nein, im Gegenteil. Ich versuche, dir begreiflich zu machen, dass ich dich mag.«
    Er drehte mich zu sich und nun war sein Gesicht aufregend nah an meinem. Er sah mich mit diesem intensiven Blick an. »Sogar mehr als mag. Ist das jetzt angekommen?« Ich konnte bloß nicken, denn ich fürchtete, kein Wort herauszubringen. Nicht nur Angst, auch Freude kann einem die Kehle zuschnüren.
    Daher brachte ich auch nicht mehr als ein Raunen zustande, als ich sagte: »Und warum küsst du mich nicht endlich?«
    Leons Augen wurden eine Spur dunkler, während die Bernsteinsprenkel funkelten. Doch dann kamen seine Lippen meinen näher. Quälend langsam.
    Wir küssten uns. Lange, immer wieder. Meine Lippen konnten von seinen nicht genug bekommen. Ich genoss die ungewohnte Nähe und fragte mich, wie ich so lange die Augen vor dem Offensichtlichen verschließen konnte. Dabei waren alle Anzeichen da gewesen. Ich hatte sie bloß nicht einordnen können. Nein, ich hatte sie gar nicht wahrhaben wollen. Julia hatte es gewusst. Sie hatte versucht, zwischen Leon und mir zu vermitteln, uns einander näherzubringen. Plötzlich fühlte ich mich unendlich traurig. Obwohl jede Unterbrechung meine Sehnsucht nach Leons nächstem Kuss nur größer werden ließ, wandte ich mich von ihm ab. Ich hatte einen Riesenkloß im Hals. Julia. Julia wäre die Allererste gewesen, die von Leon und mir erfahren hätte. Mit wem sollte ich jetzt mein Glück teilen?
    »Du vermisst sie, nicht wahr?«, fragte er mich, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    »Ja. Ganz furchtbar.«
    Er drückte meine Hand und gab mir einen Kuss auf meine Nasenspitze. »Ich weiß, wie das ist. Ich vermisse meinen Bruder, jeden Tag. Er hatte auch einen Unfall.«
    Ich rückte von ihm ab. »Julias Tod war aber kein Unfall!«
    »Du hast ja recht. Aber was war es deiner Meinung nach denn sonst?«
    »Das will ich ja herausfinden. Mit deiner Hilfe, wenn du möchtest.« Ich schaute ihn fragend an. Er nickte und zog mich beschützend zu sich heran. Erleichtert ließ ich es geschehen. »Du glaubst auch, dass sie jemand mitgenommen haben muss? Jemand, der ein Auto hat. Vielleicht sind sie zu Fuß gegangen. Aber fest steht, dass sie niemals alleine zu Fuß

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