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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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Melissa?«, fragte ich. Herr Mechat schaute auf. Er wirkte, als sei er in den letzten fünf Minuten ganz woanders gewesen.
    »Melissa? Sie war eine Patientin. Mehr nicht.«
    »Julia hat aber geglaubt, dass Melissa mehr war als Ihre Patientin. Sie schreibt, Melissa trug Ihre Handschuhe, als Julia sie fand.
    »Was? Julia dachte, ich hätte etwas mit Melissa Schikol, nur weil sie meine Handschuhe anhatte?«
    Ich schlug die Beine übereinander. »Es waren nicht bloß die Handschuhe. Julia hat Sie und Melissa gemeinsam gesehen. Sie hatten die Handynummer gespeichert. Julia hat das herausgefunden und in ihrem Tagebuch dokumentiert. Außerdem hat Julia Melissas Eltern besucht. Melissa hatte seit Jahren ihren Arzt in Tiezen. Doch plötzlich tauchte sie in Ihrer Praxis auf. Das hat Julia stutzig gemacht. … So hat alles angefangen mit ihrem Verdacht.«
    »Ich kann nicht viel über Melissa sagen, sie war meine Patientin. Alles, was sie mir anvertraut hat, unterliegt der Schweigepflicht. Aber es ist natürlich Blödsinn, dass ich der Vater ihres Kindes gewesen sein soll. Die ganze Geschichte ist kompletter Schwachsinn. Herrgott, sie war bloß ein Jahr älter als Julia!«
    Alles, was mir Herr Mechat erzählte, klang glaubwürdig. Er war ernsthaft erschüttert, alles, was Julia sich zusammengereimt hatte, hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst.
    »Aber wie sind Ihre Handschuhe dann an Melissas Hände gekommen?«, hakte ich nach. Eine Erklärung musste es schließlich dafür geben. Melissa hatte die Handschuhe ja wohl nicht geklaut!
    Herr Mechat seufzte. »Das ist eine längere Geschichte.«
    »Das macht nichts. Ich will sowieso nicht da draußen bei den anderen sein«, sagte ich und deutete mit dem Kopf zur Tür.
    »Irgendwie schon seltsam, nicht wahr?«, sagte er. »Da ist Julia tot und die Leute benehmen sich wie bei einem Kaffeekränzchen.«
    Offensichtlich war uns beiden nicht danach, zu den anderen Leuten zurückzugehen, daher sah ich ihn erwartungsvoll an. Ich wollte jetzt endlich die Wahrheit hören. Er stieß die Luft aus und begann zu erzählen.
    25. Februar 2012
    Ich glaube, langsam merkt mein Vater etwas. Heute hat er mich gefragt, warum ich mich ihm gegenüber so komisch benehme.
    Ich schrie ihm ins Gesicht, es sei wegen Melissa. Ich schwöre, dass er zusammengezuckt ist. Mehr Schuldeingeständnis werde ich von ihm nicht bekommen. Denn anstatt dass er mir endlich die Wahrheit gesagt hätte, meinte er nur, er habe Verständnis für meine emotionale Aufgewühltheit. Emotionale Aufgewühltheit! Genau so hat er sich ausgedrückt. Dann meinte er noch, Mama und er hätten sich darüber unterhalten, ob es nicht besser wäre, psychologische Hilfe für mich in Anspruch zu nehmen. Super! Ich werde wie eine Bekloppte behandelt und er? Wenn jemand einen Psychologen braucht, dann bin das wohl nicht ich! Wer hatte denn eine Geliebte, die seine Tochter hätte sein können? DAS finde ich krank.
    Auf seine Bemerkung hin knallte ich die Tür zu und verkroch mich in meinem Zimmer. Doch nicht einmal dort hatte ich Ruhe. Mein Vater kam mir nach und wollte noch einmal wissen, was mit mir los sei. Ich habe aber kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Ich habe im Bett gelegen und an die Decke gestarrt, bis er wieder weg war. Erst später, als er das Haus verließ, lief ich zum Baumhaus. Ich zittere immer noch vor Zorn und Bitterkeit. Okay, vielleicht liegt es auch an der Kälte, aber wütend bin ich trotzdem. Dass ich meine Mutter letztens angeschrien habe, tut mir leid. Aber mein Vater hat es nicht besser verdient.
    Schön langsam bin ich froh, dass die Schule wieder anfängt. Ein wenig Normalität wird mir guttun, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich mir nach zwei Tagen wünsche, es könnten wieder Ferien sein. Das ist jedes Mal so. Obwohl, diesmal vielleicht doch nicht. Sandra hat mich angerufen und mich gefragt, ob ich Lust habe, an der Abizeitung mitzuarbeiten. Da sind Fotos und Anekdoten von uns Schülern und den Lehrern, die sich so im Laufe der Jahre angesammelt haben, drin. Eigentlich gäbe es ja genug Begebenheiten, um zwei Zeitungen zu füllen.
    Ich glaube, das ist die richtige Ablenkung für mich. Heute Abend wollen wir uns im Grätzel treffen, um die Einzelheiten zu besprechen und Aufgaben zu verteilen. Und gleich am Montag machen wir die erste »Redaktionssitzung«, damit wir abklären können, wie wir die Zeitung aufziehen wollen. Die Ausgabe des Vorjahres war echt witzig gestaltet. Die Stufe vor uns hatte die Lehrer als

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