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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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Schränke und Schubladen in der Küche ausgeräumt. Teller, Gläser, Tupperdosen und Küchenutensilien befanden sich auf der Arbeitsfläche. Sie selbst stand auf einer Leiter, immer noch in derselben Kleidung, die sie zum Begräbnis getragen hatte. Ihre Hände steckten in gelben Gummihandschuhen, mit denen sie gerade einen Putzlappen auswrang.
    »Was wird das denn?«, fragte ich, unfähig, mich zu rühren.
    »Oh, du bist zu Hause«, schniefte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Wange. Ich sah, dass sie geweint hatte, und hielt möglichst unauffällig Ausschau nach einem benutzten Weinglas oder einer offenen Flasche.
    Meine Mutter schrubbte so heftig den oberen Küchenschrank, dass ich mir Sorgen machte, sie könne von der Leiter fallen. »Mama, was machst du da?«
    »Gib mir mal bitte das Geschirrtuch«, sagte sie statt einer Antwort. Ich reichte ihr das trockene Tuch hinauf.
    »Danke! Und jetzt die Teller!«
    Sie drückte mir das Geschirrtuch wieder in die Hand und räumte die Teller in den Schrank ein, die ich ihr gab.
    »War es noch nett bei den Mechats?«
    Jetzt waren die Suppenteller dran. »Nein. Nett ist nicht der richtige Ausdruck. Ich finde es eigenartig, dass man nach einem Begräbnis isst und trinkt, so als wäre man froh, selbst am Leben zu sein.«
    »Wahrscheinlich macht man das gerade deshalb«, sagte meine Mutter und kam jetzt endlich die Leiter herunter.
    »Ist es wegen Klaus?«, fragte ich und machte eine ausholende Armbewegung durch die Küche. Sie seufzte. »Ich hatte das Gefühl, ich platze gleich, also wollte ich mich abreagieren. Und das hier musste ohnehin mal gemacht werden.«
    Sie drehte sich zu mir und sah mich mit traurigen Augen an. »Theresa, ich weiß selbst, dass ich oft zu viel getrunken habe. Manchmal fühl ich mich so verdammt einsam, verstehst du? Das hat nichts mit dir oder deiner Schwester zu tun. Es ist nur … ach, ich weiß nicht. Ich wollte nie allein sein müssen. Ich wollte eine Familie, einen Partner, jemand, der für mich und für euch da ist. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, diesen Jemand zu suchen, anstatt mich um dich und Corinna zu kümmern. Fast immer stellte sich heraus, dass ich ohnehin keine gute Wahl getroffen hatte. Aber mit Klaus hätte es was werden können. Zumindest dachte ich das. Es tut mir sehr, sehr leid.«
    Diesmal kullerte eine Träne ungehindert über ihre Wange. Spontan legte ich einen Arm um sie.
    »Mama, wir sind doch eine Familie. Auch ohne Mann.«
    Meine Mutter strich mir übers Haar. »Manchmal vergesse ich das, aber ja, du hast recht. Bloß seid ihr zwei Mädchen schon so groß. Sieh dich an! Du bist siebzehn und fast volljährig. Es wird nicht lange dauern, bis du dein eigenes Leben führst. Und Corinna? Sie wird erst fünfzehn und ist jetzt schon kaum zu Hause.«
    Ich schwieg. Gewissermaßen hatte sie mich ertappt. Wie oft hatte ich mir in letzter Zeit gedacht, dass ich so bald wie möglich ausziehen wollte. Einzig die Tatsache, dass ich mit der Schule noch nicht fertig war, und die Sorge, was mit Corinna wäre, wenn ich fortging, hatten mich bisher davon abgehalten.
    »Noch bin ich da«, sagte ich schließlich.
    Meine Mutter drückte mich ein Stück von sich weg und sah mir in die Augen. »Ja, aber wie lange? Du wolltest an die Uni. Du hast das Zeug dazu.«
    Sicher war das mein Wunsch gewesen, aber das hatte immer Julia mit eingeschlossen. Wir hatten unsere Pläne zusammen gemacht. Jetzt, wo Julia nicht mehr da war, wusste ich nicht mal, was morgen sein würde, geschweige denn, welche Pläne ich für die Zukunft hatte.
    »Tja, manche Wünsche erfüllen sich wohl nicht«, sagte ich.
    »Das heißt aber nicht, dass man sie aufgeben soll«, gab meine Mutter zurück. »Klaus kann mir in Zukunft gestohlen bleiben, aber ich glaube immer noch daran, dass ich den Mann meines Lebens treffen werde.« Sie lächelte zaghaft.
    »Mama, weißt du noch, als ich letztes Wochenende krank war? An dem Abend, an dem Julia verschwand und du erst mitten in der Nacht heimgekommen bist? Ich hatte geduscht und mir die Haare getrocknet, als du ins Bad kamst.«
    Sie runzelte die Stirn. »Hm, ich fürchte, ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern.«
    Nein, natürlich nicht. Sie war ziemlich voll gewesen.
    »Aber vielleicht weißt du noch, ob du mit Klaus zusammen warst?«
    »Doch. Ich hatte ihn erst ein paar Tage zuvor in der Blumenhandlung kennengelernt. Warum? Ich würde am liebsten nie wieder seinen Namen hören!« Sie zog die gelben

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