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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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hatte ich das Gefühl, das Schwert hätte ewig reden können – ob es nun Publikum hatte oder nicht.
    Endlich schob ich das letzte Buch ins Regal, drehte den Wagen um und ging zurück in Richtung des Tresens. Die Bibliothek würde in zehn Minuten schließen. Ich war mehr als bereit, meine Tasche zu packen und mich für die Nacht in mein Zimmer zurückzuziehen.
    Bei einer Gangkreuzung erregte eine Bewegung meine Aufmerksamkeit. Ich drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie sich jemand ein paar Meter entfernt hinter ein Regal duckte.
    Ich erstarrte und fragte mich, ob ich mir die Bewegung nur eingebildet hatte. Also kniff ich die Augen zusammen und spähte durch eine Lücke zwischen den Büchern. Doch tatsächlich, ein paar Sekunden später sah ich, wie sich ein Stück rechts vor mir jemand bewegte. Die Gestalt wandte mir den Rücken zu, also konnte ich im Halbdunkel, das in diesem Teil der Bibliothek herrschte, nicht erkennen, wer es war.
    Ich seufzte. Die Bibliothek war als Aufenthaltsort unter anderem deswegen so beliebt, weil sich die Leute gerne zwischen die Regale stahlen, um mit ihrer neuesten Flamme rumzumachen – und wir sprechen hier nicht von ein bisschen Geknutsche wie bei Logan und mir. O nein. Eine Menge Mythos-Schüler waren fest davon überzeugt, dass es supercool war, ausgerechnet in der Bibliothek aufs Ganze zu gehen. Was auch immer. Ich hasste es, wenn Nickamedes mich zwang, hier hinten aufzuräumen, weil ich jedes Mal widerliches Zeugs fand, unter anderem benutzte Kondome. Igitt.
    Ohne Frage handelte es sich auch bei der mysteriösen Gestalt um eines der Kriegerwunderkinder, das hier mit seinem aktuellen Schwarm knutschen wollte. Oder vielleicht hatte einfach einer meiner Klassenkameraden beschlossen, es mir heute Abend noch mal richtig zu geben. Einige Schüler stapelten nur zu gern Bücher so auf, dass sie irgendwann umfallen und mich erschrecken mussten, wenn ich bis spät arbeitete. Und nach dem, was im Speisesaal passiert war, traute ich es Helena oder anderen durchaus zu, sich hier zu verstecken, um im richtigen Moment herauszuspringen und mich zusammenzuschlagen – oder Schlimmeres.
    Wachsam schob ich den Wagen weiter, wobei ich mich parallel zu der schattenhaften Gestalt bewegte. Anscheinend hatte ich es tatsächlich geschafft, alle Räder richtig zu ölen, denn diesmal quietschte der Karren nicht, sondern rollte fast lautlos über den Boden.
    Ich hatte gerade eine weitere Kreuzung erreicht und versuchte, zu der Gestalt aufzuholen, als vielleicht fünf Meter vor mir der Saum einer schwarzen Robe um eine Regalecke wehte.
    Ich erstarrte wieder, während ich mit weiß hervortretenden Knöcheln den Griff des Bücherwagens umklammerte. Ob Rummachen oder nicht, dumme Streiche oder nicht, Mythos-Schüler trugen keine schwarzen Roben – Schnitter des Chaos dagegen schon.
    Mit klopfendem Herzen zog ich Vic vom Wagen und eilte hinter der Gestalt her.
    »Was tust du?«, fragte das Schwert leicht gedämpft, da meine Hand über seinem Mund lag. »Warum lässt du den Karren stehen? Du musst ihn zum Tresen zurückbringen.«
    »Halt den Mund, Vic«, murmelte ich. »Ich glaube, hier ist noch jemand in der Bibliothek.«
    Aber das Schwert hörte nicht auf mich. »Natürlich ist noch jemand in der Bibliothek. Deine Freunde sind da, schon vergessen?«
    »Ja«, antwortete ich. »Aber keiner von ihnen trägt eine schwarze Robe.«
    Vic riss sein purpurnes Auge auf, und ich fühlte, wie sich sein Mund unter meiner Handfläche zu einem Lächeln verzog. »Verdammte Schnitter«, sagte er erfreut. »Lass uns sie alle umbringen!«
    Ich widerstand dem Drang, ihm noch mal den Mund zu verbieten. Stattdessen rannte ich einfach. Wir befanden uns im hinteren Teil der Bibliothek, auf der Rückseite des gläsernen Bürobereichs, und wieder hörte ich vor mir das Murmeln von Stimmen. Ich schob mich an die Kante eines Regals und spähte vorsichtig um die Ecke.
    Oliver und Alexei standen fast genau an der Stelle, an der vorhin Nickamedes und Linus gestritten hatten. Ich nahm zuerst an, die beiden hätten sich vielleicht hierher verkrochen, um zu knutschen, aber dann fiel mir auf, dass sie einander böse anstarrten. Lief es etwa jetzt schon schief zwischen ihnen?
    »Du solltest auf Distanz zu Gwen gehen«, sagte Alexei gerade. »Nach allem, was ich gehört habe, wird es morgen im Prozess nicht gut für sie laufen. Auf jeden Fall wird sie von der Akademie fliegen. Und ich muss dir ja nicht sagen, was die

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