Frostglut
Schnitter deswegen mit den Artefakten entkommen, weil Ihr Plan das von Anfang an vorgesehen hat.«
»Mein Plan?«, fragte ich, und meine Stimme klang genauso kalt und wütend wie seine. »Mein Plan bestand lediglich darin, am Leben zu bleiben und meinen Freunden dabei zu helfen, das ebenfalls zu schaffen. Sonst nichts. Trotz allem, was Sie vielleicht denken, bin ich kein böses Schnitter-Genie. Ich versuche nur, die Schnitter aufzuhalten.«
Linus schnaubte abfällig. »Oh, das bezweifle ich, wenn ich die Beweise betrachte, die wir gesammelt haben.«
Seine Worte sorgten dafür, dass sich mein Magen vor Sorge zusammenzog. Aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben und mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Logan trat neben mich und nahm meine Hand. Sobald seine Finger meine berührten, spürte ich seine warme Sorge um mich, die alles andere verdrängte. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
Linus’ Blick blieb einen Moment an unseren verschränkten Fingern hängen, bevor er seufzte. »In Ordnung. Treiben wir die anderen zusammen, und gehen wir alles noch mal durch. Du kommst auch mit, Logan. Ich will hören, was du gesehen hast. Los.«
Linus wirbelte herum und schritt mit wehendem Mantel durch den Gang davon. Sergei, Alexei und Metis folgten ihm. Logan sah mich fragend an.
»Es ist okay«, meinte ich. »Geh nur.«
Logan nickte und eilte hinter den anderen her, sodass ich allein mit Agrona vor der zerstörten Vitrine zurückblieb. Sie spielte noch einen Moment an ihrer Goldkette herum, dann seufzte sie und ließ das Schmuckstück los.
»Das Verhalten meines Ehemannes tut mir leid«, sagte sie sanft. »Er steht jetzt, da Loki frei ist, unter großem Druck. Zusätzlich ist das Verhältnis zwischen ihm und Logan … schwierig. So war es immer.«
Sie lächelte, und wieder fiel mir auf, wie schön sie war. Ich fragte mich, was sie wohl an einem Mann wie Linus fand, der allen in seiner Umgebung sehr kalt und voreingenommen erscheinen musste.
»Aber er liebt Logan wirklich«, fügte Agrona hinzu. »Ich habe mich gerade ausgeruht, als Linus wegen des Angriffs angerufen wurde. Er hat alles stehen und liegen lassen, um hierherzukommen. Ich habe ihn gerade noch erwischt.«
Ich nickte. Vielleicht bedeutete Logan seinem Vater ja wirklich etwas, aber ich fand, das zeigte er auf seltsame Weise – genauer gesagt, er zeigte es eben nicht. Aber vielleicht mochte ich Linus ja auch einfach nicht wegen all der bösartigen Dinge, die er über meine Mom gesagt hatte – und über mich.
Agrona schenkte mir ein weiteres, trauriges Lächeln, dann folgte sie den anderen.
Ich sah mir die zerstörten Überreste der Vitrine an und fragte mich wieder einmal, warum der Schnitter ein Schmuckkästchen gestohlen hatte anstelle von etwas Mächtigerem. Etwas, das eingesetzt werden konnte, um andere zu verletzen. Dann ging ich zwischen den Glasscherben auf die Knie. Mein Blick blieb an einem Gegenstand hängen, der unter einem Regal lag. Nach einem Moment verstand ich, dass es sich um den Samtständer handelte, auf dem die Schatulle gelegen hatte. Ich erinnerte mich, wie der Schnitter den Ständer angefasst hatte. Allerdings hatte der Krieger Handschuhe getragen. Trotzdem, vielleicht konnte ich meine Psychometrie einsetzen, um herauszufinden, warum der Schnitter die Schatulle so dringend gewollt hatte. Ich lehnte mich vor und streckte die Hand in Richtung des Ständers aus …
Links von mir bewegte sich etwas. Mein Blick schoss in diese Richtung, und ich bemerkte, wie Inari mich aus den Schatten im hinteren Teil der Regalreihe beobachtete. Ich hatte gedacht, er wäre mit den anderen verschwunden, aber offensichtlich hatte ich mich geirrt. Ich hatte nicht einmal gehört, wie er sich an mich herangeschlichen hatte. Es gab ein paar Ninja-Schüler auf Mythos, also wusste ich, dass Heimlichkeit eine der Fähigkeiten war, für die sie bekannt waren – sie waren fähig, sich unentdeckt hinter die feindlichen Fronten zu schleichen und Schnitter zu töten, bevor die auch nur wussten, wie ihnen geschah. Daphne hatte mir außerdem erzählt, dass Ninjas irgendeine Art von Macht besaßen, irgendeinen magischen Hokuspokus, der es ihnen ermöglichte, in jedes Gebäude einzudringen, egal wie schwer es bewacht wurde. Diese magische Macht war so etwas Ähnliches wie Unsichtbarkeit – doch statt tatsächlich zu verschwinden, verschmolzen Ninjas irgendwie mit den Schatten, sodass andere Leute einfach an ihnen vorbeisahen, ohne sie zu bemerken.
Genau, wie
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