Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
zu retten. Das macht dich sehr klug und sehr, sehr stark. Deswegen fürchten dich die Schnitter – deswegen fürchtet dich Loki persönlich.«
Ich bezweifelte ernsthaft, dass Loki irgendetwas fürchtete und schon gar nicht mich, aber ich widersprach der Göttin nicht. Eine Weile saßen wir schweigend da und beobachteten den Mond und die Wolken, die vor ihm über den Himmel huschten. Schließlich sprach Nike weiter.
»Nun musst du eine Entscheidung treffen, Gwendolyn. Willst du weiter als mein Champion dienen?«
Ich beäugte die Göttin. »Du würdest mich tatsächlich aufgeben lassen? Warum? Du bist eine Göttin. Ich spüre deine Macht. Ich nehme an, du könntest mich zu allem zwingen, was du von mir willst.«
»Ich könnte dich zwingen, weiter als mein Champion zu dienen, aber dann wärst du nicht länger mit dem Herzen dabei, und schon bald würdest du mich dafür hassen. Du hast einen freien Willen, Gwendolyn, so wie jede Kreatur, jeder Mensch und jeder Gott. Denk immer daran, denn das ist das Wichtigste, was ich dir je sagen werde. Vergiss nie, dass dies genau das ist, was Loki und seine Schnitter dir nehmen wollen – das Recht, über dein eigenes Schicksal zu entscheiden.«
Nike zögerte. »Ich weiß, dass du bereits viel verloren hast, dass du schon viel durchlitten hast, und wenn du aus deiner Aufgabe als mein Champion entlassen werden willst, dann werde ich dir den Gefallen tun.«
Ich wollte so dringend Ja sagen. Einfach so tun, als hätte ich noch nie von Nike, Loki und all den anderen gehört, so wie meine Mom es getan hatte. Wieder einfach nur Gwen Frost zu sein, das seltsame Gypsymädchen, das Gegenstände berührte und Dinge sah. Doch ich konnte mich nicht davon abhalten, die unvermeidliche Frage zu stellen.
»Was würde passieren, wenn ich aufgebe?«, fragte ich. »Mit der Akademie? Mit meinen Freunden?«
Nike zuckte mit den Schultern. »Die Akademie wird von den Schnittern überrannt und letztendlich vernichtet werden – genau wie deine Freunde.«
Sie sagte es so ruhig, so kalt, als wäre es eine ausgemachte Sache, als stände irgendwo ein riesiges Stundenglas, in dem der Sand bereits rieselte, um schließlich das Schicksal meiner Freunde und aller anderen auf Mythos zu besiegeln.
»Und wenn ich dein Champion bleibe? Was willst du von mir, jetzt da Loki frei ist? Wie kann ich ihn und die Schnitter aufhalten?«
»Es gibt nur einen Weg, den Konflikt zwischen Loki und seinen Schnittern und den Mitgliedern des Pantheons endgültig zu beenden«, erklärte Nike mit ahnungsvoller Stimme. »Jemand muss Loki töten, und dieser Jemand bist du, Gwendolyn.«
Vivian hatte gestern im Herrenhaus dasselbe gesagt, aber es von Nike zu hören, ließ es noch unmöglicher erscheinen.
»Aber … aber wie soll ich das denn anstellen?«, stotterte ich. »Ich konnte die Schnitter ja nicht mal davon abhalten, Loki zu befreien. Wie soll ich ihn töten? Er ist ein Gott , nur für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast.«
Bei meinem harschen Tonfall zog Nike eine wohlgeformte Augenbraue nach oben, doch ich machte keinen Rückzieher und wandte auch den Blick nicht ab. Einen Gott töten. Sie erwartete tatsächlich von mir, dass ich einen verdammten Gott tötete. Ich hatte Loki gesehen, hatte genau gespürt, wie mächtig er war, und das, obwohl er jahrhundertelang in seinem mythologischen Gefängnis gesessen hatte. Ich ging nicht davon aus, dass ich einfach auf ihn zugehen konnte, um ihm Vic ins Herz zu rammen.
»Warum kannst du es nicht machen?«, fragte ich. Ein flehender Tonfall schlich sich in meine Stimme. »Du hast ihn einmal besiegt. Du kannst es doch sicher noch mal.«
Nike schüttelte den Kopf. »Nachdem Lokis Handlungen zum Tod von Balder geführt hatten, kamen alle Götter zusammen und schlossen einen Pakt, dass kein Gott mehr fähig sein sollte, einen anderen zu töten. Deswegen habe ich Loki am Ende des Chaoskrieges am Leben gelassen. Deswegen wurde er eingesperrt.«
Die Göttin sah mich an. »Aber wir haben nie etwas über Sterbliche gesagt, verstehst du? Wenn ein sterblicher Champion stark genug ist, wenn ein sterblicher Champion clever genug ist, dann kann er oder sie einen Gott töten – selbst einen Gott, der so mächtig ist wie Loki. Aber du musst schnell handeln, Gwendolyn. Im Moment ist Loki noch von seiner Gefangenschaft geschwächt, doch bald schon wird er an Stärke gewinnen – und noch mehr Gefolgsleute um sich sammeln.«
»Aber ich weiß ja nicht mal, wo er ist, genauso wenig
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