Frozen Time (German Edition)
wie dieses Bild bei dieser Untersuchung auftauchen konnte. Woher haben die Medis es? Warum war es nicht auf meinem SmartSet gespeichert? Warum haben sie es mir nicht schon längst gezeigt, und vor allem: Warum zeigen sie es mir jetzt?
Milo! Denke ich. Also doch. Er hat alles aufgezeichnet, was ich ihm anvertraut habe, und die Daten direkt an Mitra übertragen.Meine Brust beginnt vor Enttäuschung und Wut zu brennen, und ich überschütte mich mit Selbstvorwürfen, dass ich ihm von Finn erzählt habe. Ich hätte es für mich behalten sollen, hätte Roses Warnung nicht ignorieren dürfen!
Erzähl es niemandem!
»Wir sind soweit fertig«, höre ich Mitras ruhige Stimme über den Lautsprecher und ich öffne die Augen. Mitra steht bereits wieder neben mir und entfernt den weiß glänzenden Ring des Hirnscanners um meinen Kopf. Vorsichtig löst sie die Drähte von den Elektroden, ich spüre nicht mehr als einen minimalen Druck gegen meine Haut.
»Geht es dir gut?«, fragt Mitra. Sie klingt noch immer streng, finde ich, aber vielleicht bilde ich es mir auch ein. Ich kann ihr nicht antworten, weil ich fürchte, meine Stimme würde zittern, also nicke ich bloß.
Sara taucht neben mir auf, löst die Manschetten an meinen Händen und fasst mich am Arm, um mir vom Stuhl aufzuhelfen. Mit geübten Fingern löst sie meinen Brustgurt und lächelt mich an, aber auch ihr Lächeln wirkt nicht so fröhlich wie sonst.
»Bring sie bitte auf ihr Zimmer zurück«, sagt Mitra zu Sara, ohne mich dabei anzusehen. Leise, sodass ich Schwierigkeiten habe, sie überhaupt zu verstehen, fügt sie hinzu: »Und bereite sie für den Mentizideingriff vor.«
Ich spüre, wie Sara, die noch immer meinen Arm gefasst hält, leicht zusammenzuckt. Oder war ich es selbst, die gezuckt hat? Ich bin erstarrt und habe gleichzeitig den Eindruck, meine Knie werden so weich, dass sie nicht mehr in der Lage sein werden, mich zu tragen. Ich stütze mich schwer auf Saras Arm, als sie mich aus dem Untersuchungsraum hinausbegleitet.
»Von was für einem Eingriff hat Mitra gesprochen?« Es gelingtmir, beinahe unbeteiligt zu klingen, als ich Sara auf dem Flur die Frage stelle.
»Oh.« Nun zuckt sie wirklich zusammen, bleibt kurz stehen und sieht mich mit einem schiefen Lächeln an. »Nur eine kleine Operation, um die Elektroden aus deinem Kopf zu entfernen.«
Sara hört sich beinahe an wie immer, ein bisschen weniger enthusiastisch vielleicht, doch niemandem würde auffallen, dass sie nicht die Wahrheit sagt. Aber mir schon. Denn ich weiß, dass sie lügt.
Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie dann mit mir tun werden!
Wieder hallt Roses Stimme in meinem Kopf. Jetzt weiß ich, dass sie sich nichts eingebildet hat und dass ihre Angst begründet war.
Der Begriff Mentizid ist mir bekannt – ich danke meiner Strebsamkeit, die mich offenbar schon vor Beginn meiner Medi-Ausbildung Massen an Fachliteratur hat lesen lassen; zugleich verfluche ich sie, denn das Wissen bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen und zerstört auf einen Schlag meinen Glauben an die Unfehlbarkeit unserer Medis. Sie sollen den Menschen helfen, sollen heilen, ganz sicher dürfen sie ihnen nicht bewusst schaden. Doch alles, was ich für unumstößlich hielt, gerät ins Wanken. Ich weiß nicht, warum sie mich diesem Eingriff unterziehen wollen, aber ich weiß, was sie vorhaben.
Und das Wissen erfüllt mich mit dem schlimmsten Gefühl, das ich kenne: mit eiskalter Angst.
KAPITEL 6
»Ich muss nur noch ein paar Sachen holen. Warte bitte hier.«
Sara hat mich bis in mein Zimmer gebracht. Der kurze Weg vom Untersuchungsraum bis hierher erschien mir unendlich weit, und während ich mühsam einen Fuß vor den anderen setzte, bemüht, mir mein Zittern nicht anmerken zu lassen, konnte ich immer wieder nur einen einzigen Gedanken formulieren: Ich muss hier weg!
»Mach es dir auf deinem Bett bequem«, sagt Sara und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. »Ich bin gleich zurück.«
Als sie sich zur Tür wendet, folge ich jeder ihrer Bewegungen mit meinen Augen. Sie wirken verlangsamt auf mich, aber vermutlich liegt das daran, dass ich versuche, schneller zu denken, als die Zeit es zulässt. Sara ist bereits an der Tür angekommen, noch immer lehne ich am Bett, ich sehe, wie sie mit ihrem Handgelenk über das Bedienpad wischt, der Scanner liest ihre Zugangsdaten, die Tür schiebt sich auf.
Wenn ich hier raus will, dann jetzt!
Ich habe es mir vorher nie bewusst gemacht, aber ich weißgar nicht,
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