Frozen Time (German Edition)
ob ich diese Tür selbst öffnen kann. Ich habe es in der ganzen Zeit, die ich in diesem Zimmer verbracht habe, kein einziges Mal probiert, weil stets jemand anderes sie für mich aufgemacht hat.
Noch immer hat mich die Angst fest im Griff, es gelingt mir nicht, sie niederzukämpfen, und trotzdem arbeitet mein Gehirn auf Hochtouren, erscheint mir jeder Gedanke präzise und glasklar.
Die Tür hat sich komplett geöffnet, Sara geht hinaus, dreht sich noch einmal zu mir um, wirft mir einen letzten Blick zu, wendet sich ab, ist im nächsten Augenblick verschwunden, die Tür gleitet zu.
Ich sammle meine Kraft, unterdrücke die Panik, stoße mich vom Bett ab, greife ohne darüber nachzudenken nach der blonden Perücke, die ich nachlässig auf das Ablagebord geworfen habe, und bin mit drei großen Schritten bei der Tür. Mein Fuß schiebt sich in den Spalt, kurz bevor die Tür sich zur Gänze schließen kann. Die Bewegungssensoren registrieren den Widerstand, fast erwarte ich, dass sie einen Alarm abgeben, doch zu meiner Erleichterung gleitet die Tür ohne Geräusch wieder auf. Ich stoße meinen angehaltenen Atem aus.
Ein vorsichtiger Blick auf den Flur. Hoffentlich dreht Sara sich nicht ausgerechnet jetzt um und entdeckt mich in der Türöffnung. Aber ich habe wieder Glück, Sara ist bereits in eines der Medizimmer abgebogen, der Gang ist menschenleer, einzig ein CleanRob zieht seine gleichmäßigen, feuchten Bahnen. Ich spüre mein Herz schmerzhaft in meiner Brust schlagen. Auch das Pochen in meinem Kopf ist wieder da, vom Nacken breitet es sich bis in die Schläfen aus. Jetzt bloß nicht schlappmachen!
Ich folge den Bahnen des CleanRobs mit meinen Augen, ich darf auf keinen Fall mit ihm zusammenstoßen, denn seine Sensoren würden unter Garantie ein Störsignal senden. Als er gerade an meiner Zimmertür in Richtung der Untersuchungsräume vorbeigefahren ist, gebe ich mir einen erneuten innerlichen Ruck und renne in die entgegengesetzte Richtung.
Ohne zur Seite zu schauen, passiere ich die anderen Patientenzimmer, die Tür des Gemeinschaftsraumes ist heute geschlossen. Schon bin ich am Lift angelangt. Reflexartig hebe ich die Hand, um mein Insignal über das ScanPad zu ziehen, doch in letzter Sekunde erstarre ich in der Bewegung. Das geht nicht! Ich darf auf keinen Fall mein Insignal scannen, ansonsten würden sie meinen Fluchtversuch sofort bemerken. Unschlüssig lasse ich die Hand wieder sinken.
Und während ich noch auf die verschlossenen Türen des Lifts schaue, höre ich plötzlich schnelle, schwere Schritte den Gang hinuntereilen. Hektisch blicke ich mich nach einem Versteck um, aber da ist natürlich nichts. Der Gemeinschaftsraum ist verschlossen. Es ist zu spät, um wegzulaufen. Das war’s! Meine Flucht ist beendet, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Ich drehe mich um, um dem Unvermeidbaren ins Auge zu blicken, und nur wenige Schritte von mir entfernt steht: Milo.
Einige Schrecksekunden lang starre ich Milo bloß an und er starrt zurück. Seine braunen Augen sind so unergründlich wie immer, wirken beinahe schwarz auf mich, ich kann nicht darin lesen, was in seinem Kopf vor sich geht. Er presst die Lippen aufeinander, und seine Wangenknochen treten hervor, weil er die Zähne so fest aufeinanderbeißt. Er ist unverkennbar wütend. Auf mich? Dabei hätte ich allen Grund, wütend auf ihn zu sein.
»Tessa«, bricht er schließlich das Schweigen. »Was hast du vor?«
Ich schlucke, meine Gedanken rasen. Aber mir fällt keine gute Begründung dafür ein, die ich Milo nennen könnte, warum ich ganz offensichtlich gerade den Lift besteigen wollte. Mir fällt gar nichts mehr ein, was ich ihm sagen könnte, kein klarer Gedanke. Ich bin verzweifelt.
»Hilf mir!«, stoße ich hervor. »Ich muss hier raus.«
Milo neigt den Kopf zur Seite, scheint mich wenn möglich noch ein bisschen intensiver zu mustern und wischt sich mit einer nachlässigen Bewegung die Haare aus der Stirn. »Ich kann dir nicht helfen«, sagt er mit schlecht verhohlenem Zorn in der Stimme. »Nicht mehr.«
Ich habe keine Ahnung, was er meint, verstehe nicht, warum der sonst stets beherrschte Milo plötzlich so wütend wirkt, aber ich begreife intuitiv, dass sich seine Wut nicht gegen mich richtet, deshalb wiederhole ich eindringlich: »Hilf mir, bitte.«
»Du weißt es?«, fragt er, und ich nicke, nicht sicher, ob wir über dasselbe sprechen. Etwas glimmt in seinen schwarzen Augen auf, er scheint für einen kurzen Moment mit sich zu
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