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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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beobachtete, was am Eingang von Marches Media vor sich ging. Der unscheinbare Mark und der ältere Typ vertickten Drogen.
    Von Kundenmangel konnte keine Rede sein. Die
netten
Jungs aus
guter
Familie standen Schlange. Nicht alle stellten sich an, aber genug, um den Marktplatz in einen schönen, sicheren Umschlagplatz zu verwandeln – reiche Kids auf einer schicken Party in einem Postkartendorf, das inmitten von Hügeln und Wäldern lag und kein Polizeirevier hatte. Lukrativ war es wahrscheinlich auch, denn vermutlich hatte kaum einer der Jungs eine Ahnung davon, was das Zeug zurzeit kostete.
    Nicht dass Jane die Preise kannte. Es war einfach cool, sie zu beobachten und sich seine Gedanken zu machen. Sie war allein. Der feige Quentin hatte einen schnellen Abgang hingelegt, im Weggehen mit den Autoschlüsseln geklimpert, und auch ein paar andere Autos waren weggefahren. Jane sah Dean Wall und Danny Gittoes, die Colette aus respektvoller Distanz im Auge behielten.
    Sie stand mit Dr.   Samedi an der geöffneten Heckklappe seines Lieferwagens. Dr.   Samedi, der ein schwarzes Ding von der Größe eines Kindersargs in den Händen hielt, trat einen Schritt zurück. «Oh doch!», schrie Colette, «doch, doch, doch!»
    Dr.   Samedi wollte den Kasten nicht loslassen. Aber an diesem Abend hatte niemand eine Chance gegen Colette. Sie schlang ihre Arme um den Kasten und zog ihn dem armen Jeff aus den Händen.
    Lloyd Powell stand an der Treppe des
Black Swan
. Mr.   Verantwortlich, dachte Jane. Jetzt sah er vielleicht noch cool aus, mit seiner schlaksigen Paul-Weller-Figur und seinem weißen Pick-up,aber Lloyd würde sich mit den Jahren in das Abbild seines Vater verwandeln und so sicher wie das Amen in der Kirche in den Gemeinderat gewählt werden. Inzwischen würde Rod einschrumpfen wie der verwirrte alte Edgar, dem man kein Schrotgewehr mehr anvertrauen konnte. Das war die deprimierende Seite des Landlebens; alle schienen ihren Platz in diesem Muster zu kennen, und das Muster änderte sich niemals. Menschen wie Colette faszinierten sie, denn sie gehörten zu einem anderen Muster. Aber Überschneidungen gab es nicht. Was für ein durchdachtes, philosophisches Konzept das am Anfang war, dachte Jane.
    «So, Leute!»
    Eine Stimme bohrte sich durch die Nacht. Unter den Kaskaden von Wimpeln und Bändern, die für die Eröffnung des Festivals am nächsten Tag angebracht worden waren, erschien Dr.   Samedi. Er hielt ein altmodisches Megafon in der Hand.
    «Wie geht’s euch? In Form? Super!»
    Ein paar begeisterte Rufe. Jane hörte Dean Walls Stimme heraus.
    «Es geht los!» Dr.   Samedi hielt das Megafon über seinen Kopf. Offensichtlich gab er damit ein Zeichen, denn im selben Moment   … explodierte der gepflegte mittelalterliche Marktplatz von Ledwardine.
    Das schwarze Ding, der Kindersarg, entpuppte sich als riesiger Ghettoblaster mit acht Lautsprechern. Er stand inzwischen auf dem Dach des Lieferwagens und pumpte mit unwahrscheinlicher Lautstärke wilde Drum-’n’-Bass-Rhythmen auf den Platz. Colette Cassidy hopste neben dem Lieferwagen auf und ab und schrie: «Ja, ja, ja, ja, ja,
ja

    Sofort tanzten ein paar Leute im Kreis um sie herum, kaum jemand konnte sich dem dröhnenden, vibrierenden Takt entziehen, der fast die Pflastersteine aus dem Boden hob. Wahnsinn, dachte Jane, das hört man bestimmt bis nach Hereford.
    «Willkommen, Freunde   …» Dr.   Samedis karibischer Akzent wurde von dem primitiven Megafon in ein tiefes, gruseliges Krächzen verwandelt.
    «Willkommen   … zum   … Kar   … ne   … val!»
     
    Das Deckenlicht wirkte verschwommen. Merrily wachte auf. Sie hatte geschlafen. Also war es ein Traum gewesen. Schon wieder. Oh Gott.
    Dann sah sie, dass das Licht über ihr einen warmen, orangefarbenen Ton hatte. Janes Lampe. Sie hatte sie von Birmingham nach Liverpool und schließlich nach Ledwardine mitgenommen.
    Sie lag in Janes Schlafzimmer, in ihrer Wohnung, auf ihrem Bett. Sie erinnerte sich nicht daran, wie sie hierhergekommen war. Eine Woge der Angst lief durch sie hindurch, und sie setzte sich auf. Da traf ihr Blick auf ein ausdrucksloses, ovales graues Gesicht mit schwarzen Augenschlitzen.
    Merrily schrie auf und drückte sich an die Wand.
    «Es ist schon gut!»
    Das graue Gesicht war auf ein Sweatshirt gedruckt. Darüber befand sich ein echtes Gesicht mitsamt Brille. Das echte Gesicht sah entsetzt aus.
    «Nein   … hören Sie, hey», sagte er. «Ich bin harmlos.»
    Sie sah an sich

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