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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ihr Moped auf die Straße schob. So wie sie aussah, hatte es die alte Indianerin heute Morgen garantiert auf den Skalp von irgendwem abgesehen.
    Die zweite Person war die kleine Jane. Sie wirkte nicht besonders fröhlich. Eine Freundin von Colette Cassidy. Konnte sich freuen, dass sie letzte Nacht nicht mit ihr mitgegangen war. Gomer hatte ziemliche Zweifel an Dermot Childs Theorie, dass Coletteeinfach so mit einem jungen Kerl abgezogen war. Er hatte ein komisches Gefühl bei dem Gedanken, dass sie im Apfelgarten verschwunden war, genauso, wie er bei dieser unerklärlichen Blütenexplosion ein komisches Gefühl hatte.
    Diese Apfelblüte war viel zu stark. Die Leute erzählten, dass der Apfelgarten nichts mehr brachte, seit er damals im siebzehnten Jahrhundert von diesem Wil Williams verflucht worden war, dem Pfarrer, der nebenbei ein bisschen herumgehext und sich dann aufgehängt hatte, als sie ihm draufgekommen waren. Gomer wusste nicht, ob das alles stimmte. Andere Leute erzählten schließlich, dass der Apfelgarten nur deswegen aufgegeben worden war, weil König Charles   II. eine ruinöse Cider-Steuer erhoben hatte – fünfzehn Pence pro Oxhoft. Trotzdem war klar, dass Williams’ letzter Blick, wenn er sich dort aufgehängt hatte, wo die Leute sagten, dem Apfelgarten gegolten haben musste.
    Er hätte gern mit Lucy über diese Sachen geredet, aber sie wirkte so zielstrebig, dass er die Straße vermutlich mit Gwynneth hätte blockieren müssen, um sie aufzuhalten.
    Wenn man Jane hieß, war es allerdings etwas anderes.
    «Lucy!» Die Kleine rannte der alten Frau in der Church Street nach.
    Gomer sah Lucy mitten in der Bewegung innehalten. Und dann unterhielten sich die beiden wild gestikulierend. Er hätte wirklich zu gerne gewusst, worüber sie sich an diesem trübseligen Morgen unterhielten.
     
    «Jetzt hör mir zu», sagte Lucy. «Bitte, hör zu.»
    Das Gesicht unter dem großen Hut war gerötet, und die Augen blitzten wie das Feuer in einem altmodischen Herd.
    «Sie wissen es, oder?», sagte Jane. «Sie wissen, wo sie ist.»
    «Nein.» Lucy hielt Jane an den Schultern fest und schob sie in die kleine Seitengasse neben dem
Ox
. «Ich weiß es
nicht
. Aber Jane,halt dich aus dieser Geschichte raus, ja? Hör mir zu. Du musst bei deiner Mutter bleiben. Sprich mit ihr. Versuch ihr zu erklären, was war.»
    «Bis zu dem Moment, in dem mir der Apfel vor die Füße gerollt ist, habe ich geglaubt, das Schlimmste, was ihr passieren kann, ist, dass sie eine Zeitlang   …
weg
ist, verstehen Sie? Wie ich. Und dass sie damit vielleicht nicht klarkommt, weil sie eben so ist, wie sie ist, und   …»
    Lucys Griff verstärkte sich. Ihre Hände waren stark und in ihrem Blick lag eine Entschlossenheit, die Jane zum Verstummen brachte.
    «Jane. Hörst du mir jetzt endlich zu?»
    «Ja.» Jane fühlte sich ganz klein und schwach. In der Gasse roch man den säuerlichen Gestank aus der Herrentoilette des
Ox
.
    «Gestern Abend ist deiner Mutter etwas passiert», sagte Lucy, «in der Kirche.»
    «Ihr ist schlecht geworden. Dean Wall und seine blöden Freunde haben bei der Party darüber Witze gemacht und gesagt, sie wäre von einem Dämon besessen oder so.»
    «Und sie sind nicht die Einzigen, denen so etwas einfällt», sagte Lucy. «Aber andere Leute sind subtiler. Deine Mutter wird unter Druck geraten. Eine Menge davon macht sie sich selbst. Mit ihren Selbstzweifeln. Verstehst du, was ich meine?»
    Jane war sich nicht sicher. «Sie ist manchmal ein bisschen übermüdet. In manchen Dingen ist ihr Standpunkt nicht mehr so eindeutig wie früher, aber sie redet nicht viel darüber. Sie stellt mir nur Fragen, die ich nicht beantworten kann.»
    «Ja, ich weiß. Aber ich meine etwas anderes, Jane. Ihr ist klar geworden, bewusst oder unbewusst, dass ihr deshalb in dem Moment schlecht geworden ist, in dem sie ihren Amtseid ablegen wollte, weil sie ihn eben nicht ablegen
sollte
. Sie sollte sich dieser Gemeinde nicht verpflichten. Wenn es nicht schon passiert ist,wird sie sich irgendwann sagen, dass sie einen Fehler gemacht hat und es im Grunde schon die ganze Zeit wusste.»
    «Und welchen? Dass sie Pfarrerin geworden ist?»
    «Vielleicht. Oder dass sie hierhergekommen ist. Für dich war es doch vermutlich auch ein Schock, als deine Mutter Gott plötzlich so toll fand.»
    «Ich bin auf den Alten eigentlich nicht eifersüchtig.»
    «Ich weiß.» Lucys Griff wurde sanfter. «Aber vielleicht hast du sie auch nicht immer so unterstützt, wie

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