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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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für bescheuert halten würde? Sie hat Mom etwas erzählt, was ich nicht hören konnte, und danach war Mom irgendwie komisch.»
    Lucy drehte sich auf dem Sitz zu Jane um. «Was meinst du mit ‹komisch›?»
    «Irgendwie geschockt. Und als ich aus dem Haus wollte, schien sie richtig froh zu sein. Vielleicht hat sie ihr erzählt, dass sie glauben,Colette wäre verletzt oder vergewaltigt worden oder was anderes Schlimmes, sodass sich Mom nicht getraut hat, mir was davon zu sagen. Ich meine,
Sie
glauben doch nicht, dass   …»
    «Wenn ich ehrlich bin, Jane», sagte Lucy, «dann fürchte ich, die Polizistin könnte recht haben.»
    «Nein!» Jane starrte sie entsetzt an. «Sie sollten mir sagen, dass ich mich irre! Und dass diese Sache mit dem alten Apfel einfach ein   … blöder Zufall war.»
    Noch während sie es aussprach, war ihr klar, dass sie sich mit dieser Bitte-mach-dass-alles-wieder-gut-ist-Reaktion benahm wie ein Kleinkind.
    «Hilf deiner Mutter», sagte Lucy. «Sei, wie man so sagt, für sie da. Ich komme später, und dann unterhalten wir uns alle zusammen.»
    «Sie gehen nicht in den Apfelgarten, oder, Lucy?»
    Lucys Lächeln wirkte irgendwie   … tapfer.
    «So kann man es nicht sagen. Und jetzt geh zu deiner Mutter.»
    Wenn man von der Church Street aus zum Pfarrhaus hinauflief, sah es noch größer und düsterer aus. Das Balkenwerk brauchte dringend einen neuen Anstrich oder eine Versiegelung oder was immer man damit machte; die ehemals weißen Flächen dazwischen waren grau und die Fenster dunkle Höhlen, bis auf   …
    Jane blieb wie erstarrt stehen. Im obersten Stockwerk brannte Licht. In der Wohnung. Ein einzelnes, strahlend helles Licht.
    Es war die Sonne, die Sonne musste herausgekommen sein. Jane drehte sich um und suchte den Himmel nach der Sonne ab, doch sie sah nur einen schmalen Lichtstreif zwischen großen Wolkenbänken. Das konnte es also nicht sein. Irgendetwas Lebendiges war dort oben in dem Zimmer.
    Falsches Wort, dachte Jane voller Angst. Eindeutig das falsche Wort.

30   Bedrängnis
    Wie sie ihn ansah!
    Lol kam aus der Spülküche. Merrily hatte schon auf ihn gewartet. Bei ihrem Blick fühlte er sich noch schlechter als ohnehin schon. Genauso gut hätte Nick Drakes Black-eyed Dog zu ihren Füßen sitzen können.
    Er hatte mitgehört, als die Polizistin ihre Fragen gestellt hatte. Ihre knappe, unnahbare Art war bestimmt nicht geeignet, um ein Mädchen wie Jane zum Sprechen zu bringen. Lol hatte Janes Selbstbeherrschung unglaublich gefunden, überhaupt, wie sie mit der Situation umging.
    Und dann:
Wie gut kennst du Lol Robinson?
Sie hatte die Frage abgeschossen wie eine Rakete, und er war in seiner Ecke hinter der Tür zusammengezuckt und hatte erst spät bemerkt, dass er seine Stirn schmerzhaft gegen eines der kalten Eisenscharniere drückte.
    «Also», sagte Merrily kühl, «setzen Sie sich, Mr.   Robinson.»
    Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem zuvor Jane gesessen hatte. Merrily starrte ihn an, als würden seine Hände zärtlich über Mädchenunterwäsche streicheln.
    «Sie hat es Ihnen erzählt, oder?» Er konnte sie nicht ansehen. «Die Polizistin.»
    «Mir was erzählt?»
    «Von Tracy Cooke.»
    Merrily setzte sich ihm gegenüber, und Lol glaubte in ihrem Gesicht sehen zu können, dass sie das nur aus Pflichtbewusstsein tat, eine ordinierte Geistliche mit einem Ausweis von der Seelenpolizei. Er erinnerte sich daran, wie der Gemeindepfarrer seiner Eltern mit ihm gesprochen hatte. Es war ein ziemlich junger Typ gewesen, der ihn an der Tür seines Elternhauses in Empfang genommenund ihm im Auftrag seiner Eltern mitgeteilt hatte, dass er hier nicht mehr willkommen war. Er hatte ihm geraten, in eine Kirche einzutreten. Und zwar in eine andere Kirche in einer anderen Stadt. Dort sollte er um Gottes Beistand beten in seiner
Bedrängnis
.
    «Sie sehen mich an, Mrs.   Watkins, als wollten Sie mich eigentlich zur Polizei bringen. Sie geben mir nur zuerst noch die Gelegenheit, mich bei ihnen auszusprechen, weil sie eine Geistliche sind. Und danach werden Sie mich davon überzeugen, das Richtige zu tun und mich zu stellen. Stimmt das ungefähr?»
    Er sah sie an. «Und Sie denken: Hat er Zeit genug gehabt, aus seinem Schlafsack zu kriechen, Colette irgendetwas anzutun und rechtzeitig vor dem Hellwerden wieder zurück zu sein? Hab ich recht?»
    «Darüber habe ich vor ungefähr zwanzig Minuten nachgedacht. Aber es kam mir unwahrscheinlich vor.»
    «Aber möglich.»
    «Ja.»
    Er blinzelte.

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