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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Richtig
krank
, so was. Genau wie die Idee gestern Abend, zu Alison zu gehen und sie zu fragen, warum sie ihn verlassen hatte. Als würde sie sich dann plötzlich überlegen: ‹Ja, Mensch, warum hab ich diesen armen Kerl eigentlich verlassen? Was für ein fieses Miststück ist bloß aus mir geworden?› Und dann zurückgekommen wäre. Dabei wollte er sie gar nicht zurück. Er wollte Alison nicht zurück. Er wollte sein Cottage nicht mehr. Er wollte nicht mal sein Auto holen.
    Er war verrückt. Immer noch krank. Das war es. Er wollte wieder in seinem kleinen Zimmer sein, wo man ihm das Essen hinstellte und ihm seine Pillen gab. Seine
Medikation
.
    Als Merrily die drei Stufen zu der hölzernen Plattform hinaufstieg, musste sie absurderweise an ein Schafott denken, einen Richtblock oder, noch schlimmer, an die Kanzel.
    «Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen!», schrie der Ausrufer,den sie engagiert hatten, in einem merkwürdigen Singsang. Er trug einen langen roten Mantel und einen Dreispitz. «Bürger von Ledwardine! Hiermit sei bekannt gemacht, dass euer Festival um drei Uhr eröffnet wird!»
    Merrily erwartete, eine erboste Lucy Devenish um die nächste Ecke rauschen zu sehen, die diese lächerliche Darbietung verdammen würde, weil in tausend Jahren Geschichtsüberlieferung niemals von einem Ausrufer in Ledwardine berichtet worden war.
    «Merrily.» Dermot Child umschloss mit beiden Händen Merrilys Rechte. «Sind Sie auch bestimmt wieder in Ordnung?» Er trug ein hellgrünes Poloshirt, auf das ein Apfel aufgedruckt war, und strahlte sie aufgeregt an. Durch Terrence Cassidys Unglück war ihm unerwartet ein ganzes Festival in den Schoß gefallen.
    «Anscheinend geht einer von diesen höllischen Vierundzwanzig-Stunden-Viren um», sagte Merrily knapp.
    «Oh,
das
…» Dermot lachte. «Das waren nur ein paar Jugendliche, die zu viel Schund gelesen haben. Machen Sie sich darüber keine Sorgen.»
    «Wie?»
    «Die Zettel, Merrily. Beachten Sie sie am besten gar nicht. Es ist nur ein Witz, wenn auch ein schlechter.»
    «
Die
Zettel? Wie viele waren es denn?»
    «Na ja, ein paar habe ich abgerissen. Einen in der Markthalle und einen an der Bushaltestelle in der Old Barn Lane. Hey.» Er legte ihr die Hände auf die Schultern. «Das ist ein harmloser Schuljungenstreich, nichts weiter.»
    «Da bin ich anderer Meinung.» Jemand setzte bizarre Gerüchte in Umlauf. Jemand, der ihr schaden wollte. Es war die moderne Version eines anonymen Briefes. Mit einem Drucker konnte man Dutzende dieser Zettel herstellen, Hunderte.
    «Noch dazu», sagte Dermot, «ist dieser Scherz ziemlichschlecht. Abgesehen davon, dass ihn vermutlich kaum jemand versteht.»
    Merrily nahm ihren Platz auf der Bühne ein. Bull-Davies, der als Festivalleiter fungierte, saß am anderen Ende und nickte ihr zu. Kurz nach Merrily kam Councillor Garrod Powell. «Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Auf der Madley Road hat es einen Unfall gegeben.»
    Dermot sah ihn an. «Schlimm?»
    «Hab’s mir nicht genauer angesehen. Offenbar hat sich so ein junger Raser überschätzt.»
    «Oh, Mist», sagte Dermot Child. In einem dunklen Anzug kam Terrence Cassidy über den Platz. Er war totenblass. «Das ist ja sehr ehrenvoll von ihm, aber ein Schreckgespenst können wir bei unserem Fest eigentlich nicht brauchen.»
    «Versuchen Sie, mal ein bisschen Verständnis für den Mann aufzubringen, Child.» Bull-Davies stand auf. «Terrence   … gibt’s was Neues?»
    Cassidy stieg auf die Bühne, lächelte Child gezwungen an und setzte sich zwischen Bull-Davies und Powell. Dann schüttelte er den Kopf. «Ich musste mal raus», sagte er. «Im Haus werde ich noch verrückt. Merrily, Jane hat wohl nichts   …»
    «Jane ist davon überzeugt, dass Colette auf sich selbst aufpassen kann», sagte Merrily zurückhaltend. «Aber sie hat auch niemand Besonderen mit ihr gesehen. Tut mir leid.»
    Terrence starrte mit unbewegter Miene geradeaus, während ein Fotograf ein paar Aufnahmen vom Podium machte.
    «Gut, fangen wir an.» Dermot ging zum Mikrofon. «Meine Damen und Herren, dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?»
    Er machte es gut. Dermot Child hatte sich in Mr.   Ledwardine verwandelt. Sein rosiges Gesicht glänzte. Er dankte dem Fremdenverkehrsverband, der Denkmalsbehörde und dem regionalen Entwicklungsfonds. Dann sprach er über das Dorf, in dem er geboren war.
    «Vor ein paar hundert Jahren war Ledwardine ein blühender Marktflecken. Damals gab es hier, wie in den meisten

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