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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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meinte   … Ach, vergiss es.»
    «Ich versuche, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, Merrily. Die Situation zu retten.»
    «Die Situation?»
    «Du hättest heute Nachmittag nicht auf das Podium gehen sollen. Ich erzähle den Leuten, du hättest eine Magenverstimmung, und jetzt sieht es langsam so aus, als hättest du etwas mit den Nerven.»
    «Oh, mit den
Nerven
. Ich verstehe.»
    «Merrily, ich kenne deine persönlichen Probleme nicht, nachdem du nicht mit mir darüber sprechen wolltest, aber die Leute fangen an, dich ein bisschen zu   … zu   …»
    Er beendete den Satz nicht. Unausgesprochene Worte schienen in der Leitung zu vibrieren. Er hatte die Zettel gesehen und Gott weiß was noch. Und schließlich musste man auch an seine eigene Stellung in der Gemeinde denken.
     
    «Lucy Devenish», sagte Lol, «kann nicht einfach so sterben.»
    «Aber genau das ist passiert», sagte Merrily leise. «Und es gibt nichts, was Sie oder Jane trotz allen Aberglaubens und aller Omen daran ändern könnten.»
    Er hörte auf, in der Küche herumzulaufen. Vom Marktplatz klang die Musik eines Akkordeonorchesters zu ihnen herüber, zu der gleich der Morris Dance aufgeführt werden würde.
    «Nicht christlich genug, schätze ich. Omen und so.»
    Merrily schüttelte eine Zigarette aus der Packung. «Rauchen Sie, Lol? Ich hab es vergessen.»
    «Früher mal.» Er nahm eine Zigarette. Seine Finger zitterten. «Danke. Ich habe schon ein paar Schocks im Leben hinter mir, aber das   … Bei ihr konnte ich mich fühlen, als wäre ich ganz normal, verstehen Sie? Es gibt für alles eine rationale Erklärung, hat sie immer gesagt. Das Problem ist nur, dass die meisten Leute eine ziemlich beschränkte Vorstellung davon haben, was rational ist.»
    «Besonders natürlich die Kirchenleute.»
    «Kann sein. Sie ist tot, ich lebe. Wo ist da die göttliche Logik?»
    «Muss ich das wissen? Weil ich Pfarrerin bin?»
    «Ich kann Sie mir sowieso nicht als Pfarrerin vorstellen», sagte Lol. «Ich verstehe nicht, warum jemand wie Sie überhaupt Pfarrer werden will.»
    «Lol.» Sie gab ihm Feuer. «Gibt es irgendetwas, das Sie mir nicht gesagt haben? Und zwar, weil ich Pfarrerin bin?»
    «Ich   …» Er sah sie niedergeschlagen an. «Kann sein.»
    «Es hat schon genügend Dinge gegeben, die über meinen Verstand gegangen sind.» Sie atmete den Rauch aus. «Und mit denen sich die Kirche nicht befassen will.»
    «Zum Beispiel?»
    «Zum Beispiel, dass es in diesem Haus spukt. Das Haus selbst sucht mich heim. Seit unserem Einzug hier hat nichts richtig gestimmt. Ich habe schlechte Träume. Und zwar die Sorte Träume, bei denen man hinterher nicht mehr unterscheiden kann, ob sie vielleicht doch keine waren. Was hätte Lucy wohl dazu gesagt, wenn ich keine Pfarrerin wäre?»
    Befangen paffte er seine Zigarette. «Sie hat mir einmal gesagt, dass ich zu nahe am Apfelgarten wohne.»
    «Und was hat sie damit gemeint?»
    «Na ja, früher war das hier das Dorf im Apfelgarten. Der Apfelgarten war seine Lebensgrundlage. Und jetzt, wo das nicht mehr so ist, könnte der Apfelgarten vielleicht   … kein so guter Ort mehr sein.»
    «Nachtragend. Die Apfelbäume sind nachtragend, hat sie gesagt.» Merrily legte die Zigarette in den Aschenbecher und schob ihn von sich weg. «Ich rauche zu viel.»
    «Wenn mir ein Apfel von einem blühenden Apfelbaum vor die Füße gerollt wäre», sagte Lol, «hätte ich vermutlich genauso reagiert wie Jane.» Er drückte seine Zigarette aus. «Verschwendung. Tut mir leid.»
    «Waren Sie schon immer abergläubisch?»
    «Oder paranoid? Ist das dasselbe? Zum Beispiel habe ich mich immer von Nick Drake beeinflussen lassen. Habe sogar meine Band nach einem seiner Songs benannt.»
    «Hazey Jane.» Merrily summte die Melodie. «Ich habe nie verstanden, worum es in dem Lied eigentlich geht, nur dass das Mädchen ziemlich unangepasst war. Mein Stiefbruder hatte sämtliche Platten von Nick Drake. Ein interessanter Typ, aber krank war er vermutlich trotzdem.»
    «Wahrscheinlich», sagte Lol. «Ich habe ziemlich lange geglaubt, dass ich mit sechsundzwanzig sterben würde – genau wie er. Und dann war ich auf einmal achtundzwanzig, lebte immer noch und bekam deswegen richtige Schuldgefühle. Und irgendwie fühlte ich mich auch im Stich gelassen. Da habe ich mich wieder einweisen lassen.»
    «In die Klinik?»
    «Klingt   …», er lächelte, «irre, was? Aber diese Gedanken und Gefühle setzen sich in einem fest und vermischen sich mitallem

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