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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Gott bewahre.
    Sie zog den zweiten Schlüssel aus ihrer Rocktasche. Es war ein kleiner Messingschlüssel. Das Schlüsselloch des Kabinettschränkchens war mit einem Beschlag aus Messing verziert.
    Natürlich passte der Schlüssel. Das Schloss öffnete sich mit einem leisen
klack
.
    Gruselig.
    Sie klappte den Deckel nicht gleich auf. Sollte sie vielleicht ein Gebet sprechen?
     
    «Das war alles?» Lol nahm das dicke Taschenbuch in die Hand. Ella Mary Leather,
Die volkstümlichen Überlieferungen in Herefordshire
. «Sonst war nichts drin?»
    «Ihre Bibel. Vorsicht, da liegen Lesezeichen drin.»
    Zwischen den Seiten lagen gefaltete Zettel. Manche waren beschriftet. Als Lol das Buch auf den Küchentisch legte, öffnete es sich an der Stelle, die Lucy in der Dreikönigsnacht zitiert hatte.
    «Ich weiß nicht, was sie von mir will.» Merrily ließ sich auf einen Stuhl fallen. «Ich hatte sie gern, und ich möchte ihre letzten Wünsche respektieren. Ich versuche sogar, mich geschmeichelt zu fühlen, weil sie mich dazu bestimmt hat, diese Aufgabe zu erfüllen. Aber   … ich habe keine Ahnung, wonach wir suchen und worum es eigentlich geht.»
    Jane setzte sich auf den Rand des Tisches. «Wir müssen es selbst herausfinden. Wenn sie es einfach bloß aufgeschrieben hätte, dann hätten wir – beziehungsweise du – sagen können: Jaja, interessant, aber die alte Schachtel hatte eben nicht alle Tassen im Schrank. Aber wenn du dich damit beschäftigen musst, um zu verstehen, was sie wollte, dann kommt man darauf, was dahintersteckt.»
    Merrily gähnte. «Können wir das nicht morgen machen?»
    «Mom, das ist wichtig. Lebenswichtig!»
    «Klar, aber für wen? Warum?»
    «Lebenswichtig für Lucy!» Jana sprang auf den Boden. «Genügt dir das nicht? Mir genügt es. Und Lol auch.»
    Merrily lächelte schwach. «In Ordnung. Du hast recht. Wir haben eine Verpflichtung.
Ich
habe eine Verpflichtung. Allerdings habe ich keine Ahnung, wo wir anfangen sollen.» Sie nahm einen der Zettel aus dem Buch und hielt den Daumen zwischen die Seiten. «Hannah Snell, 1745», las sie vor. «Mehr steht nicht drauf. Was bedeutet das?»
    «Das finden wir raus, Mom. Man kann alles herausfinden, wenn man richtig darüber nachdenkt.»
    «Ach.» Merrily fuhr sich durchs Haar. «Auf ein paar Zetteln steht etwas über Cider und Äpfel. Und das hier sieht aus wie eine fotokopierte Seite aus einem anderen Buch. Irgendwas über die Universität in Oxford. Kann mir nicht vorstellen, wie das hier reinpassen soll. Und hier auf dieser Buchseite hat sie unheimlich viel unterstrichen. Es geht mal wieder um Elfen.»
    Offenkundig war es eine Geschichte, die Mrs.   Leather von einer Frau erzählt worden war, die sie wiederum von ihrer Mutter gehört hatte, die meinte, das sei ihrer Cousine passiert.
     
    Die Cousine, ein Mädchen von etwa achtzehn Jahren, tanzte für ihr Leben gern. Sie ging im Umkreis von mehreren Meilen zu jeder Tanzveranstaltung; wo immer getanzt wurde, war sie dabei. Ihre Familie sagte ihr, dass ihr eines Tages etwas passieren würde, und als sie eines Abends nach Hause ging, hörte sie in der Nähe von Kingston eine wunderbare Musik. Es war Elfenmusik, und die tanzenden Wesen zogen sie in ihren Ring. Alle suchten nach der Cousine, und manchmal erschien sie ihren Freunden, doch wenn sie angesprochen wurde, verschwand sie sofort wieder. Dann hörte ihre Mutter (vermutlich von einem weisen Alten oder einer weisen Alten), dass sie das nächste Mal ganz schnell festgehalten werden müsse. Doch dürfe man dabei nicht sprechen, sonst würde sie niemals mehr zurückkommen. Und ein Jahr nachdem sie verschwunden war, sah ihre Mutter sie und hielt sie schnell am Kleid fest. «Aber Mutter», sagte das Mädchen, «wo warst du denn seit gestern?»
     
    Merrily sah Jane ins Gesicht. «Ich weiß, was du sagen willst. Dieses Mädchen ist eine Colette des neunzehnten Jahrhunderts. Allerdings ist in der Schilderung dieses merkwürdigen Vorkommnisses keine Rede von Kleidung, die ein paar Meilen entfernt gefunden wird.»
    «Und was hat diese Notiz auf der Innenseite des Umschlags zu bedeuten?
Young Alison. 1965.
Mit Fragezeichen.»
    «Das ist kein ungewöhnlicher Name», sagte Merrily. «Aber Alison Kinnersley hat Lucy heute Morgen besucht.»
    «Wirklich?» Lol kam zu ihnen herüber.
    «Ganz früh. Ich kam gerade aus der
Country Kitchen
. Sie hat mich nach Lucys Haus gefragt, und ich habe ihr gesagt, welches es ist. Weshalb sie wohl so früh zu Lucy gegangen ist?

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