Frucht der Sünde
wenn, dann würde sie ausgerechnet von mir keiner hören wollen.»
«Ich kenne die Wahrheit. Ich und Lol, wir ham’s rausgekriegt. Wenn Sie mir nur mal ’nen Moment zuhören würden.»
«Gomer, ganz gleich, was es ist, es ist zu spät.»
«Isses nich», sagte Gomer stur.
Sie schüttelte den Kopf. «Ich muss Jane suchen.»
Er folgte ihr in die Vorhalle. «Frau Pfarrer, Sie müssen zuhörn. Lol hat mir ’n paar Sachen erzählt, die Sie viel zu lang für sich behalten ham.»
«Das hätte er nicht tun sollen. Ist doch alles Zeitverschwendung, und außerdem hätte ich es besser wissen müssen.»
In der Vorhalle saß wie ein feister Gnom Dermot Child. Selbstgefällig lächelte er sie an. «Ein sehr interessanter Abend, Hochwürden. In jeder Hinsicht. Ich bin sicher, er wird zahlreiche Konsequenzen haben.»
«Wer is das denn?» Gomer bedachte ihn mit einem säuerlichen Blick. «Ah, Sie sind’s, Mr. Child. Hab Sie gar nich erkannt, mit Ihrm Schwanz in der Hose.» Dann hielt er Merrily die Kirchentür auf.
«Gomer …»
«Hörn Sie mich an, Frau Pfarrer.»
In der Kirche saß Detective Ken Thomas an dem Tisch für die Gesangbücher und schrieb Namen auf. Ken stammte aus dem Ort, und ebenso wie die meisten anderen kannte ihn auch Merrily. Er war freundlich, etwas rund und näherte sich dem Ruhestand. Vermutlich hielt ihn Howe deshalb für geeignet, diese unwichtige Aufgabe in der Kirche zu erledigen. Das schien ihm jedoch nichts auszumachen.
«Musst ja nicht meinen ganzen Namen aufschreiben, Ken»,sagte Jim Prosser gerade. «Schreib einfach: Jim, Sparladen, dann erinnerst du dich schon.»
«Aber nicht sie, und auf sie kommt’s an.»
«Die Kleine?»
«Die
Kleine
könnte nächstes Jahr Bereichsleiterin werden, so wie’s aussieht. Nennt man beschleunigte Beförderung, so was. Mit dem Abend heute hat sie mindestens zwei Stufen auf der Leiter übersprungen.»
«Meine Fresse», sagte Jim Prosser. Hinter ihm machte seine Frau Effie großes Aufheben um ihre Krinoline. Und hinter ihr blickte Dr. Kent Asprey ungeduldig umher, während Rod Powell würdige, sorglose Blicke schweifen ließ. James Bull-Davies, der heroische Verteidiger seines Ahnen, stand mit hochgerecktem Kinn an der Kanzeltreppe und blickte sinnierend in Richtung der Kapelle, wo er, davon war Merrily überzeugt, am Nachmittag ein Loch in das Grabmal aus dem siebzehnten Jahrhundert gehackt hatte. Aber wer würde davon je erfahren?
Niemand beachtete Merrily. Jane war nirgends zu sehen.
«Is vermutlich nach Hause», sagte Gomer. «Wir finden sie schon, machen Sie sich mal keine Sorgen. So, wo ham wir Ruhe? Inner Sakristei?»
Er hielt den Vorhang zurück und schubste sie fast hinein.
Jane schlang die Arme um ihren Körper und drückte sich tief in den Beifahrersitz. Sie waren auf dem Hof der Powells, auf der falschen Seite der Straße. Aus der Entfernung schimmerten die Lichter des Dorfes zwischen den Bäumen des Apfelgartens hindurch.
«Ich steige nicht aus. Ich will nach Hause. Du musst mich zurückfahren.»
«Hör auf zu jammern, du Miststück», sagte Lloyd. «Ich muss denken.»
Er klammerte sich mit beiden Händen ans Steuer, als hätte eram liebsten seinen Kopf dagegengeknallt. Im Licht der Armaturenbeleuchtung erschien der Schweißfilm auf seiner Stirn grünlich. Der Motor lief, und im Wagen mischten sich die Gerüche von Benzin, Tierfutter und Düngemittel.
«Dann lass mich raus. Ich gehe zu Fuß.»
«Ich hab dir gesagt, du sollst damit aufhören.»
Er sah auf. Seine Miene war ernst, aber auch ausdruckslos, genau so sah sein Vater meistens aus. Als wäre es eine Schwäche, Gefühle zu zeigen – eine Schwäche, die die Powells schon vor Generationen aus ihrem Erbgut getilgt hätten.
«Du denkst, wir sind blöd. Du denkst, du kannst mich für dumm verkaufen, sodass ich dich gehen lasse, damit du deiner Mutter erzählen kannst, was die bösen Powells mit der armen Miss Devenish gemacht haben.»
«Ich weiß nicht, wovon du redest», log Jane verzweifelt. «Ich weiß doch, dass ihr Lucy nichts tun würdet. Lass mich einfach gehen, Lloyd. Ich bin ein bisschen betrunken, und morgen kann ich mich garantiert an nichts mehr erinnern. Lass mich einfach gehen, und ich finde den Weg durch den Apfelgarten alleine, in Ordnung?»
«Warum hast du das gemacht?» Er lehnte sich zurück. «Warum bist du mit der Flasche Cider in den Apfelgarten gegangen?»
«Konnte ihn ja wohl schlecht zu Hause trinken, oder? Außerdem sind Colette und ich
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