Frucht der Sünde
Kirche wieder auf den Platz.»
«Genial», sagte Jane schwerfällig. Wieder sah sie zum Himmel hinauf. Die Sterne wirkten wie riesige Kleckse, als hinge da oben ein Bild von van Gogh. Eigentlich wirkte alles um sie herum groß und merkwürdig klecksig.
«Alles klar da vorne?», hörten sie da plötzlich eine aufdringliche Stimme. «Benötigen die Damen vielleicht irgendwelche Hilfe?»
«Shit.» Colette zog Jane über den Rasen. «Duck dich.» Zweige streiften über ihren Kopf. «Kein Wort.» Colette zerrte sie hinter ein paar Bäume. Jane fiel rücklings ins Gras, das sich zuerst wunderbar weich anfühlte. Als sie die Augen schloss, begann sich alles wie auf einem Karussell zu drehen. Das war weniger wunderbar. Also öffnete sie die Augen wieder, setzte sich auf, spürte, wie ihr die Feuchtigkeit des Rasens durch die Kleidung kroch, und wünschte sich in ihr Bett im
Black Swan
.
«Alles in Ordnung, Mädels?»
«Danny Gittoes», zischte ihr Colette ins Ohr. «Wenn er wüsste, dass wir hier sind, würde er nicht nach uns rufen.»
«Der ist doch ganz nett.» Jane erinnerte sich an den schlaksigen, langsamen Jungen, der im Schulorchester die Posaune spielte.
«Sprich leise, verdammt. Wenn die um diese Zeit zusammen unterwegs sind, geht man ihnen besser aus dem Weg. Sie haben mich einmal gekriegt, das passiert mir nicht nochmal.»
«Ich hab gedacht, dich haut nichts um.»
«Du machst es zu
deinen
Bedingungen, Jane. Nicht zu ihren. Übrigens, wenn sich Gittoes an mich hält, bleibt für dich Wall übrig. Stellt dich mit dem Rücken an die Wand des Klohäuschens, und dann geht’s los. Schöne Vorstellung, was?»
«Würg.»
«Genau. Also kein Mucks. Los, steh auf. Dort ist der Fußweg. Wir gehen zum Friedhof rüber, dann sind wir sie los.»
«Lust auf eine Party, Mädels?» Danny Gittoes’ Stimme klang weiter entfernt als zuvor.
«Ziemlich
mickrige
Party, schätze ich. Halt dich an meinem Arm fest, Jane, hier ist es matschig.»
Danny Gittoes brüllte: «Eure Mütter könnt ihr auch mitbringen!»
Sie hatten den Fußweg erreicht. Danny Gittoes tapste weit hinter ihnen herum. «Ich bereite ihnen das heilige Abendmahl, werktags und sonntags!»
«Mein Plädoyer ist abgeschlossen», murmelte Colette. «Drecksack?»
«Drecksack. Wenigstens ist er allein.»
«Genau das macht mir Sorgen.»
Jane fror inzwischen. Sie war froh, als sie den großen schwarzen Umriss der Kirche hinter den Bäumen aufragen sah wie einen Ozeanriesen auf einem nächtlichen Meer. Sterne funkelten über dem Glockenturm. Bald würden sie wieder den Platz erreichen, und dann musste sie nur noch in den
Black Swan
schlüpfen und so tun, als käme sie von einem besinnlichen Abendspaziergang zurück.
«Echt.» Jane lehnte sich an die Kirchenmauer. Es kam ihr vor, als wäre sie meilenweit gelaufen. «Ich glaube, ich habe den Cider nicht vertragen.» Als sie die Augen schloss, kam es ihr vor, als würde sie
durch
die Mauer fallen. «Oje.»
«Tja, so macht man seine Erfahrungen.» Colette tätschelte ihr die Schulter. «Los, weiter, Jane.»
«Sorry.» Jane blinzelte und stellte sich gerade hin. «Ich … also, ich …»
Dann wurde ihr bewusst, dass Colettes Hand immer noch auf ihrer Schulter lag. Der Griff war fast schmerzhaft.
«Scheiße», sagte Colette. Jane fuhr herum. Von der schnellen Bewegung wurde ihr schwindelig.
«Guten Abend, Mädels.»
Er lehnte am Eingang des Friedhofs. Dean Wall. Der mit den Schafen.
«Sehr clever», sagte Colette gelangweilt. «Nennt man das bei den Pfadfindern Einkreisen?»
«Hab ihnen von der Party erzählt», erklang Danny Gittoes’ Stimme hinter ihnen. «Im Club.»
«Wovon redest du?», fragte Dean. «Oh. Ach ja. Der Feierabend-Club.»
Nur eine einzige Lampe, die weiter vorn am Rand des Dorfplatzes stand, verbreitete etwas Licht. Jane sah zwei weitere Jungs die helle Lichtpfütze durchqueren. Sonst war niemand zu sehen, keine Autos. Das auf alt getrimmte Ledwardine war in einer Zeitschleife gefangen.
Die beiden anderen gesellten sich zu Danny und Dean, und gemeinsam kreisten sie Colette und Jane ein. Sie waren groß. Richtige Männer eigentlich. Auf die gleiche Art, auf die Colette eine Frau war.
Warum fühlte sich also Jane wie ein kleines Mädchen? Warum wollte sie in ihrem gemütlichen, sicheren Hotelbett liegen, während ihre Mutter Notizen für die nächste Predigt machte?
Eine weitere Gestalt näherte sich. «Was läuft denn hier ab?»
Es war Lloyd Powell, der Sohn des Councillors. Er
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