Fruchtbarkeit - 1
ja nichts dafür, das wiederhole ich ihr immer. Schuld haben nur die Halunken, die ihr alles weggenommen haben, ohne mir auch nur etwas zu sagen. Ein Jahr lang hätte man glauben können, daß sie geheilt wäre, und jetzt sehen Sie, was aus ihr geworden ist. Das sollte nicht erlaubt sein, daß man eine Frau so zugrunde richtet, wenn sie einen Mann und Kinder hat, besonders wenn sie nicht von ihren Renten leben kann! Sie wissen ja, was sie aus Cécile gemacht haben. Und dann ist noch eine da, die sie auch hübsch zugerichtet haben, eine Baronin, die Sie kennen müssen. Sie ist neulich hier gewesen, um nach meiner Frau zu sehen. Ich habe sie nicht wieder erkannt, eine so schöne Frau, es ist schrecklich, sie sieht aus wie hundert Jahre alt! Ich sage, man sollte sie alle einsperren, die Kerle, soviel Unheil haben sie angerichtet.«
Als er sich sodann zu Tisch setzen wollte, stieß auch er gegen den Sessel Euphrasies, die ihm in ihrem Stumpfsinn ängstlich mit den Augen folgte.
»Kommst du mir schon wieder zwischen die Beine? Wie stellst du es nur an, daß man nur immer dich trifft? Mach ein bißchen Luft da!«
Er war nicht sehr furchtbar. Aber sie fing an zu zittern in kindischer Angst, als ob ihr Faustschläge drohten. Diesmal hatte sie die Kraft, ihren Sessel bis zu dem finsteren Kabinett zu schleppen, wo sie schlief. Die Tür desselben stand offen, sie flüchtete hinein, setzte sich in den Schatten und war da nur mehr halb sichtbar, eine kleine, verschrumpfte, zusammengesunkene Gestalt, eine sehr alte Ahne, die noch Jahre und Jahre brauchen würde, bis sie starb.
Mathieus Herz zog sich zusammen beim Anblick dieser greisenhaften Verschüchterung, dieses zitternden Gehorsams einer Frau, die er einst so tyrannisch, so aufbrausend, so hart und scharf gekannt hatte, in fortwährendem Hader erst mit ihrer älteren Schwester, dann mit ihrem Manne. Sie hatte diesen lange Zeit mit ihrer bissigen Art terrorisiert, ihn unter alle ihre Launen gebeugt. Jetzt war sie es, die bei jedem Worte übler Laune zitterte. Die Frau, das Wesen voll Eigenwillen, Arbeitskraft und Leben war vernichtet worden, als die Gattin und Mutter vernichtet wurde. Und zu denken, daß diese Operierte in den Berichten noch immer als ein Erfolg, als ein Wunder Gaudes prunkte, der stolz war auf diese junge, anständige Arbeiterfrau, die vom sicheren Tode gerettet worden und ihrem Manne und ihren Kindern wiedergegeben war, gesünder und kräftiger als je! Wie recht hatte Boutan, wenn er sagte, man müsse warten, um über die wahren Erfolge dieser schönen, siegreichen Operationen urteilen zu können!
Cécile hatte in ihrer leidenschaftlich zärtlichen Art die drei Kinder geküßt, die in dieser zerstörten Ehe gleichwohl aufwuchsen. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie eilte davon, Mathieu mit sich nehmend, nachdem Madame Joseph ihr ihre Arbeit zurückgegeben hatte. Unten angelangt, sagte sie dann: »Vielen Dank, Monsieur Froment, ich gehe nun zu Fuß nach Hause. Ist es nicht schrecklich? Ich sagte Ihnen ja, daß wir im Paradies sein werden, wenn wir erst das ruhige Zimmer haben, das Sie uns so gütig verschaffen wollen.«
In der Fabrik konnte Mathieu, der sich unmittelbar in die Werkstätten begab, keine genaue Auskunft über die seit Monaten bestellte Dreschmaschine erhalten. Man sagte ihm, daß der Sohn des Chefs geschäftlich abwesend sei und daß ihm daher niemand Bescheid geben könne, um so mehr, als der Chef selbst seit einer Woche nicht sichtbar gewesen sei. Endlich erfuhr er, daß dieser letztere, soeben von der Reise zurückgekehrt, sich oben bei Madame befinden dürfte. Er entschloß sich also, im Wohnhause vorzusprechen, nicht so sehr wegen der Dreschmaschine als wegen einer Sache, deren Erledigung ihm am Herzen lag: der Eintritt seines Sohnes Blaise in die Fabrik. Der Jüngling, nun neunzehn Jahre alt, war im Begriffe, unmittelbar nach seinem Austritt aus dem Lyceum, ein junges Mädchen ohne Vermögen, Charlotte Desvignes, zu heiraten, mit der ihn eine bis in die Kinderzeit zurückreichende Herzensneigung verband. Seine Eltern hatten in ihrer Zärtlichkeit ihm durch Widerspruch keinen Kummer bereiten wollen, um so mehr, als sie in ihm ihre göttliche Unbesonnenheit von einst wiederfanden. Aber um ihn verheiraten zu können, mußte man ihn zuerst irgendwo unterbringen. Und während Denis, sein Zwillingsbruder, in eine Fachschule eintrat, hatte Beauchêne, der von der Sachlage unterrichtet worden war, sich bereitwillig erboten, Blaise zu
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