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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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er Doktor Boutan unten fand: »Ach, Doktor, Doktor …!«
    »Machen Sie mir keine Vorwürfe, lieber Freund. Sie haben keine Vorstellung von dem, was ich durchgemacht habe. Die arme, kleine Frau ist mir zwei oder dreimal beinahe unter den Händen geblieben. Als sie endlich entbunden war, wäre beinahe Eklampsie eingetreten. Das hatte ich von allem Anfang gefürchtet. Gott sei Dank, ich glaube, sie hat das Schlimmste nun überstanden!«
    Während er Hut und Ueberrock im Speisezimmer ablegte, fuhr er fort: »Wie wollen Sie auch, daß eine Frau eine glückliche Entbindung haben soll, wenn sie bis zum sechsten Monate sich bis zum Ersticken schnürt, in Gesellschaft, ins Theater, überall hingeht, alles Mögliche ißt und trinkt, ohne die geringste Vorsicht. Nehmen Sie dazu, daß diese Frau von beunruhigender Nervosität ist, und daß sie ein unglückliches häusliches Leben hat … Aber alles das interessiert Sie nicht. Sehen wir, wie es bei uns steht.«
    Oben, als er eintrat, mit seinen breiten Schultern, seinem gesunden, blühenden Gesichte, seinen glänzenden Augen, sein leichtes Lächeln auf den Lippen, empfing ihn Marianne mit demselben Vorwurfe.
    »Oh, Doktor, Doktor…«
    »Da bin ich, verehrte Frau. Ich schwöre Ihnen, daß ich nicht habe früher kommen können. Uebrigens will ich Ihnen nur gestehen, daß ich mir Ihretwegen keine Sorge gemacht habe, so überzeugt bin ich von Ihrer Tapferkeit und Widerstandskraft.«
    »Aber ich leide schrecklich, Doktor.«
    »Um so besser, so soll es sein. Alles wird bald vorüber sein, wenn sie gute, ordentliche Kolik haben.«
    Er lachte, sprach fröhlich, sagte scherzend, sie müßte ja nun nachgerade anfangen, sich an diese »WehWeh« zu gewöhnen. Vier oder fünf Stunden Schmerzen, was hätte das zu sagen, wenn alles gut ginge, natürlich, ohne jeden Grund zu ernstlicher Besorgnis? Nachdem er sich sodann eine große, weiße Schürze vorgebunden und die Patientin aufmerksam untersucht hatte, rief er bewundernd aus: »Ausgezeichnet, nie habe ich eine günstigere Situation vorgefunden. Ehe eine Stunde um ist, haben wir das Kleine da. Ah, derlei macht einem Vergnügen, das ist einmal ordentliche Arbeit, wie die braven Frauen sagen!«
    Mit Hilfe der Wärterin traf er rasch die letzten Vorbereitungen. Er erwiderte jeden Klagelaut Mariannens mit einem heiteren Worte, sagte ihr, sie möge nur recht brav Schmerzen haben, um so schneller werde alles vorüber sein. Als sie während einer Ruhepause nach Madame Séguin fragte, begnügte er sich, ihr zu sagen, daß sie ein Mädchen bekommen habe, was die Verzweiflung des Gatten noch erhöht habe. Ebenso sagte Mathieu, den sie über seinen Besuch bei den Morange befragte, lediglich, daß Valérie sehr krank sei. Weshalb hätten sie sie in ihrem schwerem Kampfe durch traurige Nachrichten betrüben sollen? Dann traten die letzten Schmerzen auf, und in so heftiger Weise, daß sie ihr laute Schreie erpreßten, die einander in regelmäßigen Abständen folgten, ähnlich den Schreien, womit die Holzfäller sich das Signal zu gemeinschaftlichem Anfassen geben, wenn sie eine Eiche fällen. Ihr Kopf war, zurückgeworfen, ihre Auge geschlossen, ihr ganzer armer Körper bäumte sich unter dem heftigen Krampfe der Muskeln. Mathieu litt es nicht an einem Orte. Dieses fortgesetzte Jammern zerriß ihm das Herz, ihm war, als müsse er sich auflösen vor Mitgefühl mit diesem entsetzlichen Leiden. Er entfernte sich vom Bette, kam wieder zurück, beugte sich über dieses teure, gequälte Antlitz, aus dessen geschlossenen Lidern Tränen tropften; und er küßte innig diese armen, rieselnden Augen, er trank diese Tränen der Pein.
    »Mein Lieber,« sagte der Doktor endlich, »Sie sollten das Zimmer verlassen. Sie sind mir sehr im Wege.«
    Eben kam das Dienstmädchen herein, um zu melden, daß Herr von Beauchêne unten sei, um sich zu erkundigen, wie es gehe. Mathieu ging taumelnd, mit vor Tränen zusammengeschnürter Kehle hinab.
    »Nun, mein Lieber, wie weit ist es? Constance sendet mich, um nachzufragen. Alles vorüber?«
    »Nein, noch nicht,« antwortete der arme Gatte, am ganzen Körper bebend.
    Der andre lachte, im glücklichen Bewußtsein, daß er derlei heftige Gemütserregungen nicht mehr durchzumachen habe. Er hatte, wie stets, die Zigarre im Munde und war, wie stets, voll Kraftbewußtsein, zufrieden mit sich und dem Leben.
    »Und dann wollte ich Ihnen auch sagen, daß Ihre Kleinen sich nicht langweilen. Sind das Rangen! Sie haben gegessen wie die

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