Frühling der Barbaren
Gary Snyder.
Ja, ich kann es auswendig, denn ich hatte mir in den Wirren des nächsten Tages, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, Pippas Zettel in einem geistesgegenwärtigen Moment angeeignet und so vor den Flammen gerettet. Er ist das Einzige, was mir von jenem Abenteuer geblieben ist, und ich habe ihn so oft angeschaut, dass ich nun das Gedicht auswendig kann.» Er breitete die Arme aus, sei es, um mich an der Flucht zu hindern, sei es, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, und begann mit starkem Akzent, jedes «the» als «sse» aussprechend, aber doch irgendwie die Englischlehrerin imitierend, mit seiner Rezitation:
One afternoon the last week in April
Showing Kai how to throw a hatchet
One-half turn and it sticks in a stump.
He recalls the hatchet-head
Without a handle, in the shop
And go gets it, and wants it for his own.
A broken-off axe handle behind the door
Is long enough for a hatchet,
We cut it to length and take it
With the hatchet-head
And working hatchet, to the wood block.
There I begin to shape the old handle
With the hatchet, and the phrase
First learned from Ezra Pound
Rings in my ears!
«When making an axe handle
the pattern is not far off.»
And I say this to Kai
«Look: We’ll shape the handle
By checking the handle
Of the axe we cut with –»
And he sees. And I hear it again:
It’s in Lu Ji’s Wen Fu, fourth century
A.D. «Essay on Literature» – in the
Preface: «In making the handle
Of an axe
By cutting wood with an axe
The model is indeed near at hand.»–
My teacher Shih-hsiang Chen
Translated that and taught it years ago
And I see: Pound was an axe,
Chen was an axe, I am an axe
And my son a handle, soon
To be shaping again, model
And tool, craft of culture,
How we go on.[ 1 ]
Auf der Terrasse des Beys ließ sich Preising von der metaphorischen Kraft des amerikanischen Dichters mitreißen und versank ganz in den bemerkenswert blauen Augen der Englischlehrerin, ohne ihre immer steiler werdenden Stirnfalten zu bemerken. Als sie geendet hatte, herrschte ein Moment der Stille zwischen ihnen. Es rauschten nur leise die Palmwipfel, bis Pippa die Stille mit einem kurzen englischen Kraftwort mit einem scharfen F unterbrach. Preising, der meinte, sich auf seinem Tagesausflug mit Pippas Mann an die der englischen Akademikerklasse offenbar eigene raue Ausdrucksweise gewöhnt zu haben, glaubte, sie bekräftige damit nur ihre Zustimmung zum eben Rezitierten und rang nun seinerseits um Worte, die ihm alle unzureichend erschienen und es vermutlich auch waren, immerhin verständigten sie sich in einer für ihn fremden Sprache. Schließlich probierte er es mit einem «Ja, freilich …» ( Yes indeed … ), um gleich wieder abzubrechen und neu anzusetzen und, so gut es ging, zum Ausdruck zu bringen, that the apple does not fall so far from the stem , wie man bei uns sagt, und dass diese allseits bekannte Wahrheit hier doch in unnachahmlicher Weise zur Geltung komme.
Pippa, der diese Analyse etwas zu kurz gegriffen schien, schaute düster an ihm vorbei ins Leere. Niemals werde sie sich damit zum Affen machen. Was sie sich denn nur dabei gedacht habe? Es sei ja offensichtlich, dass sie beim Herstellen des Axtgriffes schlecht Maß genommen habe, sodass sie jetzt auch nicht davon ausgehen könne, dass ihr Sohn die feine Botschaft der Verse verstehen werde, geschweige denn ihre Leidenschaft teilen würde, wie sie doch überhaupt keine Leidenschaft für gar nichts teilten. Und überhaupt sei es nun doch wohl etwas zu spät, um erzieherisch einzugreifen. Man, und darin schloss sie Sanford ausdrücklich mit ein, habe zu viel falsch gemacht. Es sei einem nicht gelungen, das weiterzugeben, was einem selbst als wichtig erschien. Preising schwieg. Überhaupt, so fuhr sie fort, könne man die Sachlage doch auf zwei verschiedene Weisen interpretieren, entweder habe sie schlecht geformt, oder sie habe doch kein so gutes Vorbild abgegeben. Das Erstere sei aber wahrscheinlicher, da sie sich in ihrem Sohn kaum wiedererkenne. Jedenfalls, so befand sie, sei das mit dem Rezitieren eines Gedichts an der Hochzeit ihres Sohnes auch nicht mehr zu ändern.
Preising fühlte sich aufgefordert, diese Bitterkeit nicht einfach so stehen zu lassen. Sicherlich, so begann er, falle es ihr im Moment schwer, zu sehen, und das könne durchaus an der Umgebung und den Umständen liegen, dass sie ihrem Sohn doch mehr habe mitgeben können, als sie glaube.
«Aber Pippa, vergessen Sie nicht, dieses Gedicht, es reicht weit
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