Frühling der Barbaren
Pippas einnehmendem Äußeren nur wenig, dafür umso mehr von der hoch aufgeschossenen und in ihrer Magerkeit etwas Ungemütliches ausstrahlenden Puritanergestalt seines Vaters geerbt. Abgesehen davon, ich muss es gestehen, fand ich ihn einen ganz und gar einnehmenden jungen Mann von ausgesuchter Höflichkeit, und ich erkannte auf den ersten Blick, wie viel Pippa in jeder Hinsicht richtig gemacht hatte und wie viel ihres freundlichen Wesens in ihm steckte. Diese Beobachtung veranlasste mich zu der Bemerkung, sie habe sehr wohl gut Maß genommen und ebenso erfolgreich geschnitzt, was Sanford, der in unser Gespräch nicht eingeweiht war, eine ironisch hochgezogene Augenbraue entlockte, die ich diesmal geflissentlich übersah.
Ich hatte mich bei Marc sehr für die freundliche Einladung bedankt, und er schien recht froh, dass seine Eltern in mir einen vertrauten Gesprächspartner gefunden hatten, da er mitbekommen hatte, dass es zwischen seinen und Kellys Eltern etwas schwierig war. Wiewohl alle Beteiligten nicht müde wurden, zu beteuern, das liege nur am schwachen Magen der armen Mary Ibbotson und, wie mir Kelly später an diesem Abend erklärte, der mangelnden Fähigkeit ihres Vaters, zu transpirieren; er sei, so sagte sie, in dieser Hinsicht wie ein Nagetier. Wusstest du», wollte Preising von mir wissen, «dass Nagetiere nicht schwitzen, Schweine auch nicht und die meisten Raubtiere praktisch nur an den Fußballen? Kamele dafür umso mehr. Kamele haben eine erstaunliche Anzahl an Schweißdrüsen, eine Tatsache, die mich sehr erstaunt hat, denn ich hatte immer angenommen, Kamele seien wie eine Art Sack mit viel Wasser zu befüllen und darauf ausgerichtet, nur das Nötigste davon zu verlieren.»
Nein, sagte ich, das habe ich nicht gewusst, aber jetzt wisse ich es, und ob diese Details zur Transpirationsfähigkeit verschiedener Säugetiere denn etwas zu seiner Geschichte beizutragen hätten?
Nein, so gab Preising zu, aber es handle sich dabei doch um eine höchst bemerkenswerte und erstaunliche Tatsache, und immerhin seien Kamele doch in seiner Geschichte so etwas wie ein Leitmotiv.
Tatsächlich sollte bald wieder ein Kamel auf der Bildfläche erscheinen. Nach dem Champagnerempfang am Schwimmbecken begab sich die Gesellschaft in der einbrechenden Dämmerung durch den Palmenhain auf eine kleine Lichtung, in der nach dem Vorbild Karthagos aus grob behauenem Stein und Säulenfragmenten aus Zement die Ruine eines Amphitheaters aufgebaut war, mitsamt einer kleinen Bühne, auf der gelegentlich folkloristische Darbietungen für die Gäste des Resorts stattfanden. Starke Strahler warfen ihr farbiges Licht vom Boden auf die Stämme und die Blätterdächer der Palmen, die die Lichtung begrenzten. Eine ganze Batterie Scheinwerfer, die an einer mit Gips verkleideten Traverse über der Bühne hingen, tauchte die Bühne und das Halbrund der Zuschauer in buntfleckiges Licht. Einige eiserne Feuerschalen warfen flackernde Schatten auf die Szenerie und vervollkommneten die Illumination, für die extra ein Spezialist aus Tunis angereist war, der sich allerdings fürchterlich mit der gefeierten burmesischen Floristin aus Antwerpen überworfen hatte, die ihm in sein Farbkonzept reinzureden versuchte, weil sich die lila Filterfolien angeblich nicht mit dem zarten Rosa der Alstroemeria vertrugen. Jenny, die Liebhaberin deutscher Sportwagen, beste Freundin der Braut und Organisatorin der Zeremonie, wies den Gästen ihre Plätze auf den steinernen Stufen und den bereitgestellten Stühlen mit den weißen Leinenhussen zu. Gedämpft spielte geheimnisvolle Trommel- und Schellenmusik von einer CD mit dem Titel Winds of the Desert , die sich Jenny von ihrem privaten Pilatestrainer geliehen hatte.
Quicky gab den Zeremonienmeister. Mit gereckter Brust erklomm er die Bühne, durchmaß sie ein, zwei Mal mit tigerndem Gang, bevor er mit ausgebreiteten Armen die Gesellschaft zur feierlichen Vermählung von Kelly Ibbotson und Marc Rajani Greyling willkommen hieß. Dann bat er Marc auf die Bühne, der sich zu Preisings Erstaunen seiner Schuhe und Strümpfe entledigt hatte und nun barfuß im dunkelblauen Anzug etwas verloren zwischen den Gipssäulen stand. Jenny drehte die Musik lauter. Im Hintergrund löste sich aus dem Palmenhain die hoch aufragende Silhouette eines Kamels. Kelly, auch sie barfuß, saß im Schneidersitz auf dem prächtig geschmückten Tier und versuchte trotz des Schwankens und Schlingerns eine sowohl würdevolle als auch
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