Frühstück im Bett
für die Fehler der ganzen Menschheit verantwortlich macht.«
Sein Haar war nicht so stilvoll zerzaust wie Colins Frisur.
Stattdessen erweckte es den Eindruck, er würde zu oft mit allen Fingern hindurchfahren. Seit dem Samstagabend hatten sich die Linien in seinem Gesicht vertieft. Sein Jackett glitt vor der Brust auseinander, als er die Beine von sich streckte und mit der Bierflasche auf ihren Teller zeigte. »Isst du dein restliches Sandwich?«
»Ja.«
Doch er hatte das Barbecue bereits ergriffen. Während er heißhungrig kaute, zog die Vergangenheit an ihrem geistigen Auge vorbei, in Schwindel erregendem Tempo.
Wie oft hatte er in High-School-Zeiten die Reste auf ihrem Teller verschlungen? Sie war eine pingelige Esserin gewesen, mehr an Flirts, Spiel und Spaß interessiert, und Ryan hatte stets einen unbändigen Appetit bewiesen. Plötzlich wünschte sie sich das alles zurück, ihre verpassten Chancen, das verlorene Selbstvertrauen, die wundervolle Arroganz, die ihr vorgegaukelt hatte, nichts könnte sie jemals verletzen. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter und den Gorgonien – und vor allem nach dem Leben, das sie geführt hätte, wäre sie bei ihrem ersten Liebhaber geblieben. Obwohl sie ihn nur für kurze Zeit geliebt hatte …
Der Junge, inzwischen zum erfolgreichen Mann herangereift, aß das Sandwich auf und nahm einen Schluck Bier. »Hast du während deiner Abwesenheit oft an Parrish gedacht?«
»Ich tat mein Bestes, um diese Stadt zu vergessen.«
»Weißt du noch, wie wir von hier weggehen, in die Großstadt ziehen und die Welt erobern wollten?«
»Das hattest du vor. Ich wollte nur schicke Klamotten kaufen.«
Über diese Konversation hätte sich Colin amüsiert. Aber Ryan hörte ihr kaum zu. Schon als Teenager hatten sie nicht den gleichen Humor besessen. Seiner war viel direkter gewesen. Und Winnie hatte ihm darin nachgeeifert. Mit einem gepflegten Daumennagel löste er eine Ecke des Etiketts von der Bierflasche. »Hast du jemals an mich gedacht?«
Von einem langen Tag ermüdet, seufzte sie. »Geh nach Hause, Ryan. Oder noch besser – ich gehe.«
Sie warf ihre Serviette beiseite. Ehe sie aufstehen konnte, umklammerte er ihr Handgelenk. »Hast du an mich gedacht ?«, fragte er eindringlich.
Für solche Gespräche war sie nicht in Stimmung. Sie lehnte sich zurück und entzog ihm ihre Hand. »Die ganze Zeit dachte ich an dich. Wenn Darren Tharp mich verprügelte oder betrog … Und eines Abends in Vegas, als ich mit Cy in eine Hochzeitskapelle taumelte … Da waren wir beide so betrunken, dass wir unser Ehegelübde kaum über die Lippen brachten. Eines Morgens – das geschah übrigens nach meiner Scheidung, denn im Gegensatz zu meinen leichtfertigen Ehemännern habe ich nie herumgehurt – eines Morgens erwachte ich in einem schäbigen Hotelzimmer neben einem Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte. Zumindest hätte ich’s beschwören können. Glaub mir, Baby, auch damals dachte ich an dich.«
Sein Gesicht spiegelte verschiedene Gefühle wider – Entsetzen, Mitleid und eine gewisse Genugtuung, weil sie für den Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte, bestraft worden war. Mit dieser nur allzu menschlichen Reaktion milderte er ihren Zorn, und sie schenkte ihm ein wehmütiges Lächeln.
»Bevor du ein bisschen zu selbstgefällig dreinschaust, will ich dir erzählen, wann ich dich vergaß – als ich Emmett Hooper kennen lernte. Diesen Mann liebte ich von ganzem Herzen.«
Sofort verflog seine Genugtuung, und sie wusste, was ihr jetzt drohte. Abwehrend hob sie eine Hand.
»Erspar mir dein Beileid. In unserer kurzen Ehe waren Emmett und ich so glücklich, wie’s den meisten Paaren nicht einmal während eines ganzen Lebens vergönnt ist.«
Zu ihrer Verblüffung verkündete er förmlich: »Auch Winnie und ich waren sehr glücklich.«
»Ich wollte keine Vergleiche ziehen.«
»In jeder Ehe gibt’s Krisen.«
Nicht in meiner mit Emmett. Dafür hat er nicht lange genug gelebt …
»Darf ich Ihnen was bringen, Mr Galantine?« Von sichtlicher Neugier getrieben, trat die Kellnerin an den Tisch. »Was für Sie, Miss?«
»Ich nehme noch ein Bier«, erwiderte Ryan. »Und eine Schokoladetorte für die Lady.«
»Nein, nur meine Rechnung«, sagte Sugar Beth.
»Zwei Torten.«
»Klar, Mr Galantine.«
»Hör mal, ich möchte keine Torte«, erklärte Sugar Beth, nachdem die Kellnerin davongegangen war. »Ich will nach Hause. Und da du ein Heiliger bist, scheinst du nicht zu begreifen, dass
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