Frühstück im Bett
den er am Vortag dorthin gehängt hatte. Auf dem Tisch lag seine geöffnete Sports Illustrated. Reklamezettel, Rechnungen und Börsennotizen, die er noch nicht durchgesehen hatte, häuften sich auf der Theke. Eigentlich hatte er immer geglaubt, er würde seinen Alltag gut organisieren. Aber bei der Morgentoilette an diesem Tag hatte er weder seinen schwarzen Hosengürtel noch die Nagelschere gefunden. Er versuchte sich vorzustellen, wie Winnie reagieren würde, wenn sie von seinem Treffen mit Sugar Beth erfuhr. Vielleicht würde sie das zur Vernunft bringen und zur Heimkehr bewegen.
Die Haustür fiel ins Schloss.
»Dad!«
Gigis Stimme klang verzweifelt, und er ließ die Zeitung fallen. An diesem Abend hatte sie mit Winnie im Parrish Inn gegessen. Während er in die Halle rannte, malte er sich alle möglichen Katastrophen aus. Sie stand vor der Tür, die Augen voller Schmerz, mit bebender Brust.
So jung und verloren sah sie aus. »Schätzchen?« Er nahm sie in die Arme. »Was ist denn los?«
»O Dad!« Zitternd presste sie sich an ihn. »Mom hat uns verlassen.«
Mit verkrampften Fingern umklammerte Winnie das Lenkrad. Sie war unfähig gewesen, Gigi noch länger im Ungewissen zu lassen. Vielleicht hätte sie’s ihr zusammen mit Ryan sagen sollen. Doch dann wäre das Problem zu bedeutungsvoll erschienen, und sie hatte ihre Tochter nicht erschrecken wollen. Außerdem bezweifelte sie, dass Ryan einem gemeinsamen Gespräch mit Gigi zugestimmt hätte. Dazu war er zu wütend.
Vor ein paar Stunden hatten sie telefoniert. Feindselig und sarkastisch hatte er den leidgeprüften, von einer verrückten
Frau gepeinigten Ehemann gespielt. Womöglich musste sie ihm Recht geben. Welche vernünftige Frau würde ihren Mann verlassen, nur weil er sie nicht genug liebte? Trotzdem bereute sie nicht, dass sie ihm am letzen Abend einen Besuch in ihrem Apartment verwehrt hatte.
Ironischerweise war das Dinner mit Gigi sehr erfreulich verlaufen, nachdem sich Winnie vom Entsetzen über die Frisur ihrer Tochter erholt hatte. Drei rote Strähnen, unregelmäßige Fransen rings ums Gesicht, an einer Seite länger als an der anderen. Aber Gigi schien sich wohl damit zu fühlen, und so brachte Winnie sogar ein Kompliment zustande. Über das Augen-Make-up und das zu enge schwarze Outfit verlor sie kein Wort. Nach der anfänglichen Verlegenheit begann Gigi über Mädchen zu schwatzen, die keine Macht ausübten – ein Thema, das nach dem heimlichen Treffen mit Sugar Beth zum ersten Mal sein hässliches Haupt erhoben hatte.
»… Zum Beispiel, wenn eine Schülerin in der Klasse Blödsinn macht, nur um einen dummen Jungen zu amüsieren, den sie mag. Oder wenn sich die Mädchen von Lehrern ignorieren lassen, sogar von Lehrerinnen. Mrs Kirkpatrick ruft die Jungs viel öfter auf als die Mädchen, weil die Jungs dauernd hochspringen, und sie will für Ruhe sorgen. Heute hob ich meine Hand sechstausend Mal. Trotzdem hat sie mich nicht beachtet. Schließlich sprang ich auch auf und schwenkte beide Arme durch die Luft, bis sie’s endlich begriffen hat.«
»In der High School wurde ich auch oft übersehen.«
»Nur weil du so still warst.«
Winnie nickte. »Nicht von Colin. In mancher Hinsicht war er der schlechteste Lehrer, in anderer der beste.« Mit übertriebenem britischem Akzent fügte sie hinzu: »›Jasper, untersteh dich, deinen Hintern von diesem verdammten Stuhl zu heben, bevor ich dich aufrufe. Was hast du zu sagen, Winnie?‹ O Gott, ich hatte solche Angst vor ihm.«
Darüber musste Gigi lachen, und für eine Weile war’s wie in alten Zeiten. Dann wurde Gigis Biskuittörtchen mit Erdbeeren
serviert, und Winnie konnte den Augenblick der Wahrheit nicht länger hinauszögern.
»Hör zu, ich muss dir was sagen, bevor du’s von anderen erfährst und einen falschen Eindruck gewinnst.« Sie zwang sich zu lächeln, als wäre die Neuigkeit völlig harmlos, wie ein Termin beim Zahnarzt. »Vor ein paar Tagen habe ich entschieden, dass ich ein bisschen Zeit für mich selber brauche. Keine große Sache, und gewiss kein Grund zur Sorge. Aber ich werde etwas länger im Apartment wohnen.«
Zunächst verstand Gigi nicht, worum es ging. »Das ist unfassbar! Bevor du Donna eingestellt hast, warst du nie so lange im Laden.«
Winnie wählte ihre Worte sehr sorgfältig. »Mit der Arbeit hängt’s nicht zusammen, sondern mit privaten Problemen – ich muss mir über einiges klar werden. Dein Dad und ich haben sehr jung geheiratet. Wenn die Menschen
Weitere Kostenlose Bücher