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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Vorliebe für ausgefallene Kleidung. Enge Lederhosen, verwegene Blusen und enggeschnittene Westen. Immer mit viel Dekolleté. Tomke hätte ihr gefallen.
    Mir gefielen klassische Twinsets und Blusen mit braven Bubikragen, gerade geschnittene Röcke oder Hosen. Doris Day war mein großes Vorbild. Die hätte ich liebend gerne als Mutter gehabt. Pünktliches Wecken. Blitzsauberer Frühstückstisch mit frisch gebackenen Pfannkuchen und Ahornsirup. Schulbrote, Kuss auf die Wange, und in der Haustür das letzte aufmunternde Winken.
    Manchmal betrachtete mich meine Mutter mit diesem sorgenvollen Blick, mit dem man eine Tochter bedachte, die völlig aus der Art geschlagen war.
    »Was willst du eigentlich anziehen, wenn du wirklich alt bist?«
    Ich sehe an mir herunter und denke: Jeans, Mama. Jeans und lässige Pullover. Darunter immer noch gerne Blusen.
    Reinhard hat meinen Stil sehr gemocht. Er meinte, ich wäre ein Überraschungspaket beim Auspacken. Die Erinnerung berührt mich unangenehm. Damals hat es mir gefallen und war auch ein Grund, mich in ihn zu verlieben.
    Ich lenke den Wagen aus dem Ort. Tomke sitzt schweigend neben mir. Sie scheint in Gedanken zu sein. Auf der Küstenstraße packt eine Böe den Wagen, und ich muss den Lenker mit beiden Händen festhalten. Manche Bäume stehen schief, wie im Sturz. Aber sie sind fest verwurzelt, haben sich einfach den Windverhältnissen angepasst.
    »Mochtest du eigentlich Doris Day?«, frage ich, weil ich die Stille zwischen uns im Wagen schlecht aushalten kann.
    »Doris Day?«, wiederholt Tomke verständnislos. »Wie kommst du jetzt auf Doris Day?«
    »Ich musste gerade an sie denken.«
    »Nein, nicht besonders. Sie ist so eine Sauberfrau gewesen. Immer wie aus dem Ei gepellt. Ihre Filmfamilie auch, selbst ihre Liebhaber. Ich konnte ihr nie abnehmen, dass sie mit denen Sex hatte. Viel zu steril. Passte in die Zeit und zu Amerika, aber nicht zu mir.«
    »Wäre sie nicht der Typ gewesen, den du gerne als Freundin gehabt hättest? Immerhin hätte man sich auf sie verlassen können.«
    »Nein«, wehrt Tomke entschieden ab. »Worüber hätte ich mit ihr reden sollen? Ob die Tomaten in diesem Jahr besonders gut für ein Ketchup taugen, oder was?«
    Ich muss lachen. Die Stimmung ist wieder leicht. Ich schalte das Radio ein.
    »Bist du eigentlich glücklich verheiratet?«, höre ich Tomke fragen.
    »Was heißt glücklich«, wiederhole ich irritiert. Ihr Übergang von einem Thema zum anderen hat etwas von Achterbahn fahren.
    »Glücklich heißt, du bist gerne mit ihm verheiratet. Noch immer. Nach all den Jahren würdest du ihn noch einmal heiraten«, erklärt Tomke so andächtig, als lausche sie ihren eigenen Worten. Wie ein junges Mädchen, das sich ausmalt, wie es einmal sein wird, wenn man ein altes Ehepaar ist.
    Ich spüre ihren Blick. Sie scheint die Frage ernst zu meinen und wartet auf eine Antwort. Mir fällt keine ein.
    »Tut mir leid«, entschuldigt sie sich, als ich weiterhin schweige.
    »Tut mir echt leid. Ist wohl nicht der passende Augenblick für so eine Frage. Dein Mann liegt auf der Intensivstation, und ich frage dich, ob du glücklich verheiratet bist. Ist sonst nicht meine Art.«
    Ihre Hand streicht zart über meine. Ich nicke kaum merklich.
    Ihre Berührung tut gut. Dabei hat mich ihre Frage nicht verletzt. Ich wusste nur keine Antwort. Über meine Ehe habe ich seit Els mit niemandem mehr gesprochen. Tomke könnte ich alles erzählen. Das verwirrt umso mehr, weil sie mich an meine Mutter erinnert. Hätte ich mit meiner Mutter reden können? Irgendwann? Nein, auch wenn Tomke mich an sie erinnert. Sie sind zwei völlig unterschiedliche Personen. Tomke ist weicher, viel weicher. Und sie ist nicht spöttisch. Genau das ist der Punkt. Ich habe mich vor dem Spott meiner Mutter immer gefürchtet. Nur weil ich anders war als sie.
    Vielleicht war ich einfach zu jung und meine Mutter ist viel zu früh gestorben. Schade, dass man seiner Mutter nicht einmal gleich alt begegnen kann. Nur so als Test, ob man ohne die emotionalen Verwicklungen von Mutter und Kind miteinander auskommen könnte.
    »Wolltet ihr eigentlich nur ein Kind?«, fragt Tomke und hat ihren Vorsatz, kein heikles Thema mehr anzuschneiden, schon wieder vergessen. Ich muss lächeln.
    »Ich hätte gerne mehr Kinder gehabt. Wenigstens zwei. Aber ich habe einfach keine mehr bekommen«, antworte ich bereitwillig.
    »Einfach so?«, fragt sie misstrauisch. Ich spüre ihren prüfenden Blick. Ihre Zweifel amüsieren mich

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