Fuchserde
nackten Brüste und ihre Scham wurden nur von ihrem langen, blonden Haar bedeckt. Ihre Lippen waren sinnlich und feucht vom Wasser, das sie mit der hohlen Hand behutsam aus dem Teich schöpfte. Ihre Augen schimmerten zart blau, wie die Unschuld des Himmels, der sich tagsüber in ihrem dunklen Teich spiegelte.
Alle Männer in der Gegend kannten sie, von ihren Träumen und vom Hörensagen. Einige hatten sie auch schon gesehen, hatten sie gespürt und sich ihr hingegeben. Sie waren des Nachts nach draußen geschlichen, hatten sich, in Gedanken schon ganz bei ihr, warm blutende Wunden zugezogen, als sie im Licht des Halbmonds durchs Unterholz krochen, teils auf allen vieren und keuchend wie verrückt. Wenn sie der Mut dann nicht verließ, stießen sie das kleine Ruderboot vom Ufer ab und ließen es durch den Bodennebel gleiten, der den Blick auf den Teich versagte. Keiner dieser Männer, kein einziger, kam je wieder zu den Seinen zurück. Stets fand man das leere Boot am Tag danach in der Mitte des Teiches treiben, ohne jeden weiteren Hinweis auf den Verschollenen, fernab jeden Ufers.
Es hieß, nur ein junger, durch und durch unschuldiger Bursche könnte das Teichmädchen zähmen, ihren tödlichen Umarmungen, ihrem verheerenden Liebestreiben ein Ende setzen. Überall wurde deshalb nach so einem Burschen Ausschau gehalten. Denn auch jene Männer, die der Versuchung bisher widerstanden hatten, fanden keine Ruhe. Immer wieder wurden sie nachts vom zärtlichen Rufen des Teichmädchens geweckt, immer wieder wachten sie schweißgebadet auf, neben ihren guten Frauen.
Eines Tages fanden die Männer endlich einen unschuldigen Burschen. Er hatte bisher nicht einmal im Traum daran gedacht, sich in der Nacht zum Teich zu schleichen. Weil er aber ein guter Kerl war und ohne Grund zur Furcht, ließ er sich dazu überreden. In der Nacht, in der es geschehen sollte und in der sich der unschuldige Bursch aufgemacht hatte zum Teichmädchen, in dieser Nacht sahen die Männer Wetterleuchten über dem Wald. So mancher Blitz fuhr nieder, schaurig und schön, wohl in der Gegend des Teichs. Als der junge Bursche noch nicht zurückgekehrt war, obwohl schon der Morgen dämmerte, begannen sich die Männer, die am Waldrand beieinander hockten, Vorwürfe zu machen.
Da knackte es plötzlich im nahen Gebüsch und Momente später stand der Bursche vor ihnen. Er gähnte und streckte sich und dann begrüßte er die Runde. Nichts sei gewesen, rein gar nichts, versicherte er den Männern, die dem Burschen nur Glauben schenkten, weil er noch niemals gelogen hatte. Er habe sich zuerst am Rand des Teiches niedergelassen, erzählt er. Als ihm das zu langweilig geworden war, sei er mit dem Boot in die Mitte des Teiches gerudert, so wie sie es ihm angeschafft hätten. Dort habe er lange nach dem Teichmädchen Ausschau gehalten, aber es habe sich nicht blicken lassen. Schließlich wurde er wohl von der Müdigkeit übermannt. Er sei im Boot eingenickt und habe bis zum Morgengrauen gut und fest durchgeschlafen.
Ob das Gewitter, das Donnergrollen, die Blitze und der Regen ihn denn nicht geweckt hätten, wollten die Männer wissen. Doch der Bursche konnte sich nicht erinnern, auch nur einen Regentropfen gespürt zu haben. Es sei die ruhigste und schönste Nacht gewesen, die er je erlebt habe.
Erst als der Bursche heimwärts schritt und die ratlosen Männer hinter sich ließ, bemerkte er, um sein Handgelenk geschlungen, ein langes, glänzend blondes Haar. Er streifte es ab, als sei es bedeutungslos.
Diese Geschichte, mein kleiner, schlauer Fuchs, ist schon sehr, sehr alt. Sie ist dreimal so alt wie Berg und Wald. Das Teichmädchen, mein schlauer Fuchs, das Teichmädchen aber gibt es immer noch. Es lebt ewiglich.
Ich erinnere mich, dass ich diese Geschichte auch erzählt habe, als meine Familie zum ersten Mal die Resulatti-Sippe getroffen hat. Wir hatten unser Lager auf einer Waldlichtung aufgeschlagen und saßen gemeinsam rund um den Funk. Es war der Tag, an dem ich Luca kennen gelernt habe. Luca und ich haben uns schon verstanden, als wir noch gar nichts miteinander geredet haben. Als wir uns zum ersten Mal, noch von weit weg, in die Scheinling* gesehen haben, erkannten wir uns wieder. Mit jedem Schritt des Näherkommens spürten wir stärker, wie sehr wir aufeinander gewartet hatten. Schließlich standen wir uns gegenüber und reichten einander die Hand. Es war ein unsagbar schöner Augenblick. Und ich wünsche dir, mein kleiner Fuchs, dass auch du
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