Fuchserde
kletterte zurück ins Stroh. Rasch gab sein Körper wieder der Versuchung des Schlafes nach.
Am nächsten Morgen fühlte sich Peter stark genug, um aufzubrechen. Seine Wunden waren sauber und sogar jene am Oberschenkel, in dem noch immer die Patrone steckte hatte sich geschlossen. »Danke«, sagte Peter leise, nachdem er die fortgeschrittene Heilung festgestellt hatte.
Bevor er sich aus dem Heuschober schlich, gönnte er sich noch ein paar kräftige Schlucke frischer, nach nassem Stroh duftender Milch, zog sich den an einem Haken hängenden blauen Arbeitsmantel unter seine Jacke an und konnte auch nicht wiederstehen, die drei frisch gelegten Eier mitzunehmen, die er gleich daneben im Stroh fand. Er schloss die Schiebetür hinter sich und dann ging er, so wie er gekommen war, in seinen eigenen Spuren zurück Richtung Wald. Da er nicht vorhatte, hier jemals wieder zurückzukehren, hätte er auf die Spuren nicht mehr achten müssen. Er tat es dennoch, denn weder wollte er die Bauersleute unnötig verunsichern, noch auf die Idee bringen, die ganze Gegend wegen unerklärlicher Fußspuren verrückt zu machen und damit aufzuhetzen. Wegen des weggenommen Mantels machte sich Peter keine Gedanken. Die Bauern würden sich wohl gegenseitig vorhalten, ihn verlegt zu haben.
Als Peter den Wald, erreicht hatte, sah er nach oben. Die Sonne zwängte sich schmal durch eine milchige Decke aus Nebel und Dunst und die Bäume waren voller Reif. Peter drehte sich noch einmal zum Hof um und dann machte er sich auf Richtung Osten. Es würde noch ein weiter Weg sein, hinauf ins Waldviertel.
Auf der Strecke mied Peter Wege oder gar Straßen. Er versuchte, sich im Wald zu halten. Denn er rechnete damit, dass er von der Gestapo gesucht wurde. Nur abends schlich er sich auf Lichtungen, um in Heuschobern oder Geräteschuppen ein halbwegs warmes Quartier für die Nacht zu haben.
Nach ungefähr einer Woche, bisher war alles gut gelaufen, riskierte er es immer öfter, auch Wege zu benutzen. So sei das Marschieren weit weniger beschwerlich und kräfteraubend, sagte er sich, und er komme auch viel flotter voran.
Peter musste taggeträumt haben, denn als er das Motorrad mit dem Beiwagen über die Kuppe kommen sah, war es zu spät, um auf die Seite zu springen und sich im Wald zu verstecken. Das Beste und Unauffälligste ist sicher, einfach weiterzugehen und so zu tun, als sei ich ein gewöhnlicher Wanderer, überlegte Peter. Plötzlich arbeitete sein Gehirn wieder und er war hellwach. Was Peter allerdings nicht bedachte, war, dass es zu dieser Zeit kaum Wanderer gab. Denn Hitler hatte das Herumziehen verboten, erwartete von allen, dass sie hart arbeiteten für Volk und Vaterland. Freiheit war abgeschafft, alle waren in Sesshaft genommen worden – und viele hatten es nicht einmal bemerkt.
Die Beiwagenmaschine bremste sich neben Peter ein. Jetzt erst erkannte Peter die Uniformen der SS. Er begann zu laufen. Und diesmal maß sein Vorsprung gegenüber seinen Verfolgern nur einige Beinlängen. »Stehen bleiben, oder wir schießen!«, hörte Peter hinter sich, und das machte ihn noch schneller. Diesmal rannte er nicht geradeaus. Diesmal rannte er Zickzack. Das musste er allerdings ohnehin, denn die Bäume standen hier dicht an dicht. Peter jagte durch den Wald, hinter ihm zersplitterten Schüsse der beiden SS-Männer Äste und bohrten sich Patronen in weiches Holz, Vögel stoben auf.
Als Peter aus Erschöpfung langsamer wurde, lichtete sich der Wald zusehends. Seine Deckung drohte verloren zu gehen. Neben Tannen und Fichten hetzte Peter immer öfter an Birken und Buchen vorbei, stützte sich im Laufen an ihren Stämmen ab und konnte nirgendwo Gestrüpp oder Jungwald ausmachen, wo er wieder bessere Deckung hätte finden können. Peter hatte zwar einen Vorsprung herausgelaufen, hinter sich hörte er aber noch immer das Knacken von trockenen Zweigen und am Boden liegenden Ästen. Die Abfolge des Knackens ließ Peter wissen, dass es noch beide Verfolger waren, die hinter ihm her waren. Und dass die beiden zuletzt schneller geworden waren als er.
Peter tat das, was jedes verfolgte Tier in seiner Situation gemacht hätte: Im Laufen suchte er nach einem Versteck. Peters Blick durchkämmte den Wald. Weil der Boden hier beinahe eben war, der Wald keine entwurzelten Bäume oder Felsen zum Unterschlüpfen bot und sich auch nirgends ein Erdloch auftat, in das sich Peter hätte verkriechen können, wählte er die entgegengesetzte Richtung und sprang
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