Führe mich nicht in Versuchung
gab Bruce zu. »Wie auch immer, jedenfalls war sie bald schwanger. Um sich die Schande zu ersparen, war meine Mutter entschlossen, einen anderen reichen Adligen zu heiraten, der sich bereit erklärte, für sie zu sorgen. Sie wollte nicht, dass ihr Kind als Bastard geboren wurde. Doch der Herzog stellte sich gegen ihr Vorhaben.«
»Also hat er ihr, statt sie an einen anderen Mann zu verlieren, der möglicherweise ihre Loyalität für sich in Anspruch nehmen konnte, einen Ehemann gekauft«, sagte Max.
»Genau«, erwiderte Bruce. »Du weißt besser als jeder andere, dass es niemandem erlaubt war, die Dinge zu berühren, die dem Herzog gehörten. Und Mutter besaß er mit Herz und Seele, und er war entschlossen, ihre Aufmerksamkeit mit keinem anderen zu teilen.«
Mit einem Mal wurde Max alles klar. »Er hat den Grafen gekauft«, sagte er. »Er hatte die Kontrolle über ihn.«
»Natürlich«, erwiderte Bruce. »Und im Austausch dafür, dass der Herzog des Grafen Vermögensdinge in Ordnung brachte, gab der Graf meiner Mutter den Schutz seines Namens und stimmte zu, dass er nichts von ihr fordern würde. Nichts, Max. Sie ist dem Herzog bis zu dem Tag seines Todes treu geblieben.«
»Aber dem Grafen ist schließlich doch klar geworden, dass er ein schlechtes Geschäft gemacht hat«, ergänzte Max, der sich an den Klatsch erinnerte, der ihm in seinen Studienjahren zum ersten Mal zu Ohren gekommen war.
Der Graf war nach Übersee gegangen und seither nicht wieder nach England zurückgekehrt. »Das erklärt aber immer noch nicht, warum du all die Jahre die Wahrheit vor mir verheimlicht hast«, fügte Max ungeduldig hinzu.
»Es war Mutters Wunsch«, erwiderte Bruce. »Dieses Geheimnis für mich zu behalten schien ein denkbarer kleiner Preis dafür zu sein, dass sie dafür gesorgt hatte, Kathy und mir einen Platz in dieser Welt zu schaffen.«
»Und wie lauteten die Wünsche des Herzogs, was dieses Thema angeht?« fragte Max.
»Er hat sich niemals dazu geäußert. Es war so, als würdest du überhaupt nicht existieren.«
»Genausowenig wie du und Kathy für mich existierten. Aber dennoch warst du dir über deine Abstammung immer bewußt«, erwiderte Max bitter.
»Nein, ich habe erst davon erfahren, als ich siebzehn Jahre alt war.« Bruce lächelte grimmig. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Eines Tages hat der Graf die ganze hässliche Wahrheit in einem Wutanfall ans Tageslicht gebracht.« Er erhob sich aus seinem Sessel und ging zum Fenster hinüber, womit er die Distanz zwischen ihnen verringerte. »So, damit liegt sie nun vor dir - die ganze ungeschminkte Wahrheit.«
»Ja, das ist sie wohl«, erwiderte Max und musterte Bruces steife Haltung.
Bruce verschränkte die Arme vor der Brust. »Und nun, da ich deine Neugierde befriedigt habe, scheint es nur fair, wenn du mir auch einige Fragen beantwortest.«
Max wäre am liebsten ein paar Schritte zur Seite getreten, aber er wich nicht von der Stelle. »Ich wüsste nicht, was ich dir erzählen könnte«, wehrte er ab.
»Zum Beispiel, wie die Dinge zwischen dir und Jillian stehen.«
»Dieses Thema sollten wir be sser unberührt lassen«, erwiderte Max. Er mochte sich mit Bruces Erklärung zufrieden geben und ihn auch als seinen Bruder akzeptierten, aber was seine Rolle bei der Heirat mit Jillian betraf, so hegte Max immer noch großen Groll gegen ihn.
Bruce legte seine Hände im Rücken zusammen und begann, auf seinen Absätzen zu wippen. »Dann möchte ich dir gerne noch eine weitere faszinierende Geschichte erzählen.«
Das genau aber wollte Max vermeiden, denn er war sich sicher, dass Bruce ihm zu erklären versuchte, warum er bei Jillians verrücktem Plan mitgewirkt hatte. Doch im Augenbick sah sich Max außerstande, seinen Erzählungen zu lauschen - da die bloße Nennung von Jillians Namen die Fäden seiner Kontrolle zu zerreißen drohte. »Lieber nicht«, erwiderte er.
»An dem Tag, als ich sie in diesem lächerlichen Kleid zu ihrer Einführung bei Hofe sah, hatte ich zum ersten Mal den Verdacht, dass sie in dich verliebt ist«, begann Bruce, als habe Max nie einen Einwand erhoben. »Und kurz nach ihrem Debütantinnenball bestätigte sich dieser Verdacht.«
»Nichts weiter als die Verliebtheit eines Schulmädchens«, stieß Max hervor und fragte sich, warum er eigentlich noch still stehen blieb. »Ende der Geschichte.« Er schritt auf die Doppeltüren zu und öffnete sie.
»Smithy«, rief Bruce, woraufhin der Diener sofort auf der Türschwelle
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