Fuehrungs-Spiel
Hunde aus dem Wagner-Stadion von Amsterdam hinaus. Doch das, was die Zuschauer in Holland von meinem Plan zu sehen bekommen hatten, war nur ein Element einer Strategie, deren ergebnisorientierter Teil sich unterdessen in der Heimat abspielte: Meine Top s pieler spulten zu Hause ihr Vorbereitungsprogramm ab: Ich hatte ihnen einen penibel ausgearbeiteten Plan vorgegeben und war mir sicher, dass sie sich mit diesem Programm optimal auf die EM vorbereiten würden.
Die Europameisterschaft in Barcelona begann, es herrschte große Hitze im Stadion auf dem Montjuïc. Unsere Mannschaft spielte ausgeruht, frisch und torgefährlich in den Gruppenspielen. Wir qualifizierten uns für das Halbfinale gegen die Engländer, jene Engländer, die in ihrer Gruppe gegen müde und matte Niederländer sensationell 3 : 0 gewonnen hatten. Meine Jungs spielten sich mit 5 : 1 gegen die Engländer im Halbfinale geradezu in einen Rausch. Keiner von ihnen hatte bei der Champions Trophy unsinnig Kräfte gelassen. Im Gegensatz zu den Niederländern: Sie verloren ihr Halbfinale gegen Spanien, dann das Spiel um Platz drei und kurz darauf auch ihren Trainer nach der verpassten Olympia q ualifikation.
Dann das Endspiel Samstagabend in Barcelona. Tropische Verhältnisse noch um 21.30 Uhr! Beide Mannschaften lieferten sich einen grandiosen Fight mit Feldvorteilen für Spanien. Aber mit größter Abwehrdisziplin und einem überragenden Torhüter Arnold gelang es uns, das Unentschieden nach Verlängerung zu retten. Also Siebenmeterschießen zur Entscheidung um den EM-Titel und die Qualifikation für Olympia Athen. Genau für diese Situation hatte ich, die Spieler sind meine Zeugen, einen – diesmal kurzfristigen – Plan: Z ur Verblüffung des Publikums, des Gegners und der Medien nahm ich, wie vorher trainiert und geplant, unseren Torhüter Arnold, der das ganze Turnier über bravourös gehalten hatte, aus dem Tor und wechselte Christian Schulte ein, den zweiten Mann, der das ganze Spiel neben mir auf der Bank gesessen hatte. Schulte hielt bravourös zwei entscheidende Siebenmeter, unser jüngs ter Spieler, Christopher Zeller, verwandelte mit einer ungewöhnlichen mentalen Abgeklärtheit den entscheidenden Strafstoß. Eins-gegen-eins, Torwart gegen Stürmer, es ging um alles, um den Sieg, um die Europameisterschaft, um die Qualifikation für die Olympischen Spiele – und um meine Strategie: Zeller traf, wir waren Europameister und für Athen qualifiziert.
Wären meine beiden Pläne, die Schonung der A-Mannschaft bei der Champions Trophy und der Torwartwechsel zum Siebenmeterschießen, nicht aufgegangen, dann hätte ich ein ernstes, ein doppeltes Problem bekommen: f alsche mittelfristige und falsche kurzfristige Strategie, das zusammen hätte mich sehr angreifbar gemacht. Nun aber lobten die Medien, jubelten die Fans und staunten die Funktionäre des DHB über meine »kluge Planung«. Manche sagen, ich hätte Glück gehabt. Natürlich, den Ausgang eines Siebenmeterschießens kann man nicht planen. Das Belastungsmanagement für meine Mannschaft allerdings, der Plan, auf die Champions Trophy zu verzichten, um bei der EM optimal auftreten zu können, das hatte mit Glück rein gar nichts zu tun. Ich verspüre deshalb ein bisschen Genugtuung gegenüber den vielen Funktionären des DHB und des Weltverbandes, die mich angegriffen hatten. Ich hatte geahnt, nein gewusst, dass der Sieger der Champions Trophy von Amsterdam nicht zwei Wochen später Europameister werden konnte, hatte meine gesamte Planung seit dem Winter 2002/2003 darauf ausgerichtet. Man muss, das hatte ich gelernt, manchmal verlieren, um zu gewinnen.
Flexibel sein durch Akribie
Wer führt, braucht Ziele. Und wer ein Ziel hat, braucht einen Plan. Der Plan ist der Weg zum Ziel. In meinem Fall war das Ziel immer klar definiert: Ich wollte Erfolg, wenn irgend möglich wollte ich gewinnen, jedes Turnier, jedes Spiel. Ich kann das nicht oft genug wiederholen, denn der Wille zum Erfolg ist der Motor jeder Höchstleistung. Doch konnte es, wie das Beispiel oben zeigt, Situationen geben, in denen das kurzfristige Ziel, einen Gegner zu schlagen, zurücktreten musste hinter das langfristige Ziel, ein großes Turnier zu gewinnen. Das nenne ich: p lanen.
Planung hatte allerdings noch viele andere Aspekte, jedes Training musste geplant werden, buchstäblich jeder Abschnitt eines Jahres: jeder Lehrgang, der Zeitraum zwischen großen Turnieren (Weltmeisterschaften, Olympische Spiele), der mehrere Jahre
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