Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
Vom Netzwerk:
Entscheiders
    Wann und wie ich eine Entscheidung letztlich kommuniziert habe, das hing von vielen, den Entscheidungsprozess begleitenden Faktoren ab (siehe unten). Dass eine Entscheidung anstand und ein Meinungsbildungsprozess im Gange war, legte ich immer sofort offen. Bei Green und Duckwitz habe ich Monate vor der Entscheidung in Mannschaftssitzungen, aber auch in Einzelgesprächen darauf hingewiesen, dass das Rennen um die Position des linken Verteidigers offen sei. Natürlich wurde diese, wie jede Entscheidung, letztlich von mir getroffen und auch kommuniziert. Doch war es wichtig, dass die Mannschaft wusste, mit wem ich mich beraten, wen ich einbezogen hatte. Natürlich hatte ich mich mit den Fachleuten aus meinem Stab ausgetauscht, meinen Co-Trainern, dem Arzt, den Physiotherapeuten, den Psychologen, teilweise auch mit den Vereinstrainern und nicht zuletzt mit den Führungsspielern. Aber alle wussten: Entscheiden musste ich allein.
    2 . Klarheit über die Kriterien der Entscheidung
    Während den Zeitspannen zwischen den Wettkämpfen haben die Spieler immense Belastungen auf sich genommen, nicht nur im Training, sondern auch in ihrem »normalen« Leben, haben nicht weniger ehrgeizig ihre Leistung in Beruf , Schule oder im Studium gebracht. Obwohl es um den Erfolg auf dem Platz ging, musste ich bei der Entscheidung für oder gegen einen Spieler eine Reihe von Kriterien einbeziehen, harte Fakten, aber auch soziale und emotionale Komponenten. Ich konnte eben nicht, wie ein Leichtathletiktrainer, Zeiten messen und die Schnellsten nominieren. Ich wollte, neben der Leistung, die soziale Kompetenz der Spieler in meine Entscheidung mit einfließen lassen. Alle, vor allem natürlich jene Spieler, die von einer bevorstehenden Entscheidung unmittelbar betroffen waren, haben gewusst, worauf es mir ankam. Dieses Erwartungsmanagement war das Herz einer jeder von meinen Entscheidungen. Nur weil ich selbst wusste, was ich erwartete, konnte ich die Konsequenzen meiner Entscheidungen richtig einschätzen.
    Ich habe mir das immer ganz nüchtern vor Augen geführt. Die wichtigsten Fragen, die ich mir dabei stellte, waren:
    a) Welches sind die Aufgaben, die die Spieler zu erfüllen haben, was erwarte ich von ihnen?
    Hier galt es zu unterscheiden zwischen den subjektiven Kriterien wie der Beurteilung der komplexen taktischen Spielintelligenz und den messbaren athletischen Werten. Die subjektiven Kriterien der Spielleistung waren in dem Entscheidungsprozess viel höher zu bewerten als die messbaren Unterschiede in den athletischen Werten. Ich versuchte, durch individuelle Zielvereinbarungen die Anforderungsprofile, subjektive wie objektive, zu schärfen.
    b) Welche Qualitäten zeichnen den Einzelspieler aus, wie wirken diese sich auf die Leistung der Gruppe aus?
    Nicht jeder geniale Solist ist auch für die Mannschaft eine Verstärkung. Wie sind die soziale Intelligenz, der Charakter und die Rolle in der Gruppe zu beurteilen? Eigentlich habe ich nie die 18 (bei Welt- oder Europameisterschaften) oder 16 (bei Olympischen Spielen) individuell stärksten Spieler nominiert, immer waren es jene, von denen ich als Team die beste Leistung erwartete.
    c) Welche Besonderheiten sind zu berücksichtigen?
    Hat eine Verletzung, Krankheit, ein persönlicher Lebensumstand oder eine studienbedingte Belastung dazu geführt, dass ein Spieler zum Nominierungszeitpunkt die erforderliche Leistung nicht bringen kann? Kann, darf das meine Entscheidung beeinflussen? Hier beginnt die wichtige Differenzierung zwischen objektiven und intuitiven Entscheidungskriterien, auf die ich weiter unten noch detailliert zu sprechen kommen werde.
    3 . Klarheit über den Zeitraum der Beurteilung
    Es wäre unredlich, wenn zur Begründung einer Entscheidung plötzlich Qualitäten oder Schwächen aus fern liegenden Zeiten herangezogen w ü rden. Die Dauer einer Konkurrenzsituation muss folglich definiert und kommuniziert werden. Vor Olympia 2004 war klar, dass die Nominierungsphase mit dem ersten Lehrgang nach der WM in Kuala Lumpur 2002 beginnen und mit jenem im Beispiel aus der Praxis beschriebenen Turnier in Holland enden würde.
    4 . Klarheit über den Moment der Verkündung
    Im Lauf einer Saison verkleinerte ich den Kreis der Kandidaten für große Turniere Zug um Zug. Der erweiterte Kreis der Nationalspieler umfasst in der Regel etwa 30 Akteure. Es gab immer einige, die aus diesem Kreis schon recht früh ausschieden, weil sie den Anforderungen nicht genügten. Die letzten

Weitere Kostenlose Bücher