Fuehrungs-Spiel
beiden, die Spieler Nummer 19 und 20 (oder bei Olympia die Spieler Nummer 17 und 18), allerdings schieden, wie Mike Green, immer erst kurz vor Turnierbeginn aus. Grundsätzlich hielt ich es wie folgt: Steht eine Entscheidung unwiderruflich fest, sollte sie so rasch wie möglich kommuniziert werden.
Eine frühe Nominierung erfolgte dann, wenn Klarheit über die Leistungsunterschiede bestand, ebenso, um einzelnen Spielern Sicherheit zu verleihen und Unruhe zu minimieren. Zu einer relativ späten Nominierung zwang mich ein sehr ausgeglichenes Leistungsniveau oder die Gefahr, dass Ehrgeiz und Engagement durch die entstandene Sicherheit nachlassen würden.
Ein Randaspekt, der allerdings unvermittelt große Bedeutung bekommen kann, ist das Interesse der Öffentlichkeit. Zwar nicht ganz so aufgeregt wie bei Jürgen Klinsmanns Torwart-Entscheidung zwischen Kahn und Lehmann, doch begleitete auch meine Entscheidung zwischen Green und Duckwitz die interessierte (Hockey-)Öffentlichkeit. Immer wieder wurde mir signalisiert, dass die sogenannte öffentliche Meinung eindeutig zu Green tendiere. Ich habe mich davon weder beeinflussen noch drängeln lassen. Es kann aber durchaus vorkommen, dass öffentlicher Druck den Entscheidungsprozess beschleunigt. Eine wochenlange Debatte in den Medien kann selbst das stabilste Mannschaftsgefüge aus dem Gleichgewicht bringen.
5 . Klarheit im Moment der Verkündung
Die Entscheidungsvorbereitung und die Entscheidungsfindung gehörten zu den spannendsten Erfahrungen meines Trainerlebens. Den N icht - Nominierten dann die Entscheidung mitzuteilen, das war dagegen immer ein extrem schwerer, mich belastender Gang, zu dem ich aber immer voll gestanden habe. Stets habe ich die »Aussortierten« zuerst in Kenntnis gesetzt und meistens das Vier a ugen g espräch auf der Bettkante des Spielers in dessen Zimmer im Mannschaftsquartier gesucht. Ich hatte mir in solchen Situationen angewöhnt, ohne Umschweife und in kurzen Sätzen zu erklären, warum ich mich gegen den jeweiligen Spieler entschieden hatte. Die Spieler wollten diese klare, ehrliche, prägnante Erklärung ohne Sentimentalitäten. Das haben sie mir oft gesagt. Die Enttäuschung stand dem betroffenen Spieler jedes Mal ins Gesicht geschrieben. Es waren harte Momente, besonders auch, weil sie wussten, dass sich – ein paar Augenblicke später – Mannschaftskollegen ein paar Türen weiter im Trainingslager über ihre Nominierung freuen und dieser Freude auch Ausdruck verleihen würden. Oft schlug mir bei diesen Gesprächen Respekt für meine Entscheidung und doch Unverständnis entgegen. Viele Spieler haben dabei auch geweint. Ich hingegen durfte meine Gefühle nicht zeigen. Zumindest nicht vollständig. Schließlich hatte ich entschieden.
Entscheiden – grundsätzliche Anmerkungen
Richtige Entscheidungen zu treffen ist sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben im Leben. Das gilt für alle Menschen, nicht nur für Trainer und Führungskräfte. Aber entscheiden ist Kern jeder Führungsaufgabe. Nur wer entscheiden kann, ist als Führungskraft geeignet, wird als solche anerkannt und sich durchsetzen können. Wem des E ntscheiden schwerfällt, wer sich das nicht zumuten will, der sollte um seiner selbst und der von ihm Abhängigen willen keine Führungsposition anstreben. Nicht nur deshalb, weil man Entscheiden ( -K önnen) nicht wirklich lernen kann. Entscheiden ist eben auch eine Frage der Persönlichkeit, des Charakters. Der Vorgang einer Entscheidung ist kein statischer Prozess, er fordert den Entscheider, belastet und motiviert ihn, denn: Entscheiden (können) bedeutet Macht ausüben (können). Wer entscheidet, muss mit Starken und mit Schwachen umgehen können, mit Stärken und mit Schwächen, den eigenen und denen anderer. Starke (Führungs-)Persönlichkeiten stehen zu den von ihnen getroffenen Entscheidungen, sie kommunizieren negative Entscheidungen selbst und dokumentieren auch bei positiven Entscheidungen durch die persönliche Übermittlung, wie wichtig ihnen dieser Vorgang ist – und die Menschen, die ihre Entscheidungen betreffen.
Entscheiden ist das Bindeglied zwischen Denken und Handeln. Das kann sich auf die Auswahl einer Handlung aus einer Menge an Möglichkeiten beziehen, dann steht der eigentliche Entschluss zu einer Handlung im Vordergrund. Oder man versteht darunter einen Prozess von Entscheidungs schritten. Charakteristisch für eine Entscheidung ist stets, dass die entscheidende Person vor mindestens zwei
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