Fünf Freunde im alten Turm
gesteckt«, sagte Anne und stand auf. »Oh, wie bin ich steif geworden! Ich bringe es sofort.«
In ein paar Minuten kam sie atemlos vom Laufen wieder zurück und reichte Dick das Glas. Er hielt es an seine Augen und stellte es auf den Berg ein.
»Jawohl, ich habe recht«, sagte er. »Es ist tatsächlich ein Haus. Sicher der Alte Turm. Ihr erinnert euch ja, dort haben wir uns doch vorgestern Abend verfahren.«
»Lass mich auch mal sehen«, bat Anne. »Ich glaube, Ich könnte es wiedererkennen. Als wir den Berg hinauffuhren, habe ich in einer Kurve das Haus kurz gesehen.« Sie hielt das Glas vor die Augen.
»Ja, das ist bestimmt der Alte Turm«, rief sie. »Es war wirklich seltsam dort - dieses dumme Schild am Tor - das wilde Bellen des Hundes - und keine Spur von einem Menschen. Die alte Dame muss dort sehr einsam leben!«
Wie sie so gemütlich dasaßen und an ihren Äpfeln kauten, begann Tim plötzlich wild zu bellen. Er stellte sich steif und schaute auf den Pfad.
»Vielleicht kommt Elli, dieses sonderbare Kind«, meinte Julian.
Aber sie war es nicht. Eine Frau kam des Weges. Sie hatte eine kleine, etwas gedrungene Gestalt und trug einen Schal über dem Kopf.
»Guten Tag«, sagte sie und schien gar nicht erstaunt zu sein, fremde Kinder hier anzutreffen. »Elli hat mir schon von euch erzählt. Wohnt ihr jetzt in Hansens Hütte?«
Julian nickte. »Vorher waren wir unten auf dem Bauernhof, aber Tim hat sich nicht mit den anderen Hunden vertragen, deshalb sind wir heraufgekommen. Hier ist es so hübsch.«
»Wenn ihr meine Elli seht, sagt ihr, dass sie heute Nacht unbedingt nach Hause kommen soll«, sagte die Frau und wickelte sich fest in ihren großen Schal ein. »Sie und ihr Lämmchen! Das Kind ist genauso verrückt wie die alte Dame dort drüben!« Sie zeigte dabei in Richtung des Alten Turms.
»Ach, wissen Sie mehr über dieses Gebäude dort?« erkundigte sich Julian neugierig. »Durch Zufall sind wir bis zum Tor gekommen . . .«
». . . aber keinen Schritt weiter, darauf nehme ich
Gift«, sagte Ellis Mutter. »Es hängt ja auch ein Verbotsschild am Tor. Dabei bin ich früher jede Woche dreimal dort gewesen, und alle waren so freundlich zu mir. Aber die alte Frau Thomas will jetzt niemanden mehr um sich haben als diese Freunde ihres Sohnes. Die arme alte Dame. Die Leute behaupten, dass sie ihren Verstand verloren hat. Das wird schon stimmen - sie würde mich sonst zu sich lassen. Ich habe doch viele Jahre bei ihr gearbeitet!« Das alles war sehr interessant für die Kinder.
»Warum steht denn an dem Tor ›Zutritt verboten‹?« fragte Julian. »Sie haben doch einen scharfen Hund!«
»Na, wenn du mal einen dieser Freunde der alten Dame triffst, Junge, dann weißt du genau, was los ist«, erzählte Ellis Mutter. »Aber niemand kann etwas dagegen tun. Es ist eben alles recht seltsam. Lärm in der Nacht . . .,Nebel steigen plötzlich auf . . ., ein Flimmern!«
Julian glaubte, das sei eine der üblichen Gruselgeschichten, die sich die Dorfbewohner erzählen. Das mit dem Magnet im Berg glaubten sie ja auch . . .
»Du kannst ruhig darüber lachen«, sagte die Frau ein wenig beleidigt. »Seit Oktober tun sich dort recht seltsame Dinge. Mitten in der Nacht fuhren Lastwagen hinauf. Wozu nur, das möchte ich gerne wissen! Na, ich jedenfalls glaube, dass alle die alten Sachen, die der Dame gehörten - Möbel und Bilder - wegtransportiert wurden. Die arme gnädige Frau, sie war immer so nett und freundlich, und jetzt weiß ich gar nicht, was ihr passiert ist!« Die Frau hatte Tränen in den Augen. Schnell wischte sie sie weg, »Ich hätte euch das nicht erzählen sollen - ihr werdet euch noch fürchten, hier so allein in der Nacht!«
»Nein, nein, bestimmt nicht!« versicherte Julian, und dann bat er: »Erzählen Sie uns etwas von Elli. Sie muss doch halb erfroren sein, wenn sie so leicht angezogen in der Kälte herumläuft.«
»Ein schreckliches Kind ist sie«, rief Ellis Mutter. »Rennt wie eine Wilde in den Bergen herum, schwänzt die Schule - läuft zum Vater - er ist dort oben, wo die Schafe weiden, und kommt die ganze Nacht nicht heim. Richtet ihr nur aus, dass die Peitsche auf sie wartet, wenn sie heute Nacht nicht zu Hause ist. Wie der Vater ist sie - will immer nur allein sein. Unterhält sich mit Lämmern und Hunden, als ob es Menschen wären - zu mir aber spricht sie kein Wort!«
Den Kindern war das etwas peinlich, sie wünschten schon, sie hätten sich mit dieser so schwatzhaften Frau nicht ins
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