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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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schon gelernt.
    Als stoße er sich von einem Trampolin ab, schießt Dimas Kopf nach oben.
    »What the fuck man!«, schreit der Schwarze und wirft die Decke von sich. Er springt auf, macht einen Schritt auf meine Mutter zu, und jetzt sieht sie auch wieder die Katzenaugen, die sie über die Lehne hinweg anstarren. Ihre Haarwurzeln beginnen zu brennen, als habe man sie mit Säure übergossen. »Ja, also, das wollte ich nur sagen«, stottert sie, und »äh, schönen Abend noch«, bevor sie rückwärts aus der Wohnung stolpert.

11. Kapitel
    Er taucht zur Hälfte im Türspalt auf, in einem von diesen synthetisch glänzenden Jogginganzügen, das Haar auf einer Seite platt gedrückt, und macht sich nicht mal die Mühe, überrascht zu sein.
    »Stör ich?«, fragt sie.
    Seine Schläfe reibt am Türrahmen. Er lässt sich viel Zeit, wenigstens so weit zu öffnen, dass sie ihn ganz sehen kann, und ein Stückchen Flur daneben, in dem noch genauso viele Schuhe liegen, wie in der Nacht zuvor.
    »Ich wollt mich nur entschuldigen«, kommt es etwas zittrig aus ihr heraus, »das ist gestern irgendwie blöd gelaufen.«
    Er zieht seine Jogginghose nach oben, fährt sich mit der Zunge an den Zähnen entlang. Es sieht aus, als würde ein Wurm unter seiner Oberlippe hin und her kriechen. »Wenn dein Kind halt schlafen muss.« Seine Stimme klingt tief und feucht.
    »Ja, schon, aber ich hätte ja nicht gleich, also, ich wollte nicht  … « Sie ist sich nicht sicher, wie sie den Satz zu Ende bringen soll, aber er scheint sich auch nicht sonderlich dafür zu interessieren. Mit starrer Miene schaut er an ihr vorbei, während seine Schulter an den Rahmen sackt, dann seine Hüfte, der Oberschenkel, als würde man einen Reißverschluss zuziehen. In seinem Rücken kreischt eine wütende Männerstimme.
    Meine Mutter wischt sich die Hände am Po ab, hält sich an den Hosentaschen fest. »Es ist nur, weil die Schule halt so früh anfängt.«
    Er zieht schwerfällig den Kopf nach oben.
    »Ich wollte euch wirklich nicht den Abend verderben. Wo du ja auch Gäste da hattest. Ich versteh natürlich, dass man da auch mal laut Musik hören will. Da kann man schon vergessen, auf die Uhr zu kucken. Ist ja eigentlich auch völlig in Ordnung, wenn, also wenn nur das Kind nicht wäre. Das braucht eben seinen Schlaf. Aber ich hätte mich natürlich trotzdem nicht so aufführen müssen, wie gesagt, tut mir echt leid  … «
    Ein langes Gähnen wischt ihr die letzten Worte von den Lippen. Seine Zunge rollt nach hinten, während er sich übers Gesicht fährt. Das Lid zieht sich nach unten, sodass man das glibberige Zeugs unter dem Augapfel sehen kann. Seine Finger hinterlassen rote Streifen auf den Wangen.
    »Bin gerade erst aufgestanden«, sagt er endlich und schüttelt den Kopf, vielleicht, um die Müdigkeit zu vertreiben, wahrscheinlicher, weil er nicht glauben kann, mit was er sich da schon am Morgen herumschlagen muss, »auch wenn es natürlich längst Nachmittag war, sonst hätte ich mich ja gar nicht wegstehlen können. Ich hab extra gewartet, bis der Arno beim Schwimmen war, aber, also, du weißt schon, was ich meine.«
    Sie bohrt die Hände in die Hosentaschen und wartet darauf, dass er sie reinlässt, oder wegschickt, oder vielleicht auch einfach ein bisschen anschreit, damit sie das nicht mehr ständig selbst besorgen muss, im Grunde ist ihr alles recht, Hauptsache Alex, ja, wenigstens das hat sie noch, Hauptsache Alex zeigt irgendeine Reaktion. Aber der klebt nur bewegungslos am Türrahmen, wie ein Tier, das sich tot stellt. Sein linker Arm ist zwischen Metall und Hüfte eingequetscht, der andere hängt schlaff nach unten. Die Augen hat er halb geschlossen, sodass er nicht mal richtig blinzeln muss. Meine Mutter schaut auf seine Brust, um sicherzugehen, dass er noch atmet, aber seine Jacke ist zu weit, um etwas darunter zu erkennen. Sie versucht, den Schriftzug auf der Brust zu entziffern, von dem nur noch ein paar zuckergussweiße Kleckse übrig sind, als die plötzlich aus ihrem Blickfeld rutschen. Ohne ein Wort dreht er sich um und läuft den Flur entlang, stößt eine Tür mit dem Fuß auf, geht hinein. Es klappert. Dann hört sie einen Wasserstrahl.
    Sie zuckt zusammen, macht unwillkürlich einen Schritt zurück.
    Der Strahl wird noch stärker, hallt in der Schüssel. Die Spülung gurgelt los.
    Meine Mutter schiebt den Kopf in die Wohnung. Als würde sie das Gezwitscher einer vom Aussterben bedrohten Vogelart studieren, lauscht sie den Geräuschen,

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