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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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aufglühte. Und dann auch eine zweite, ein, zwei Handbreit tiefer, zitternd von dem Frauenlachen, das über den Hof hallte.
    Meine Mutter blieb in der Tür stehen, sah seinen Oberkörper, der sich immer tiefer nach unten beugte. Sah die zierliche Gestalt, die so, zur Seite gewandt, wie eine Scherenschnittfigur wirkte. Und dann sah sie, wie die beiden sie sahen. Zumindest wurden die Profile zu dicken Flecken. Ihre Silhouetten verliefen miteinander. Das Lachen verstummte.
    »Hallo«, sagte meine Mutter und trat unschlüssig näher. Sie schaute von Alex zu der jungen Frau, die ihr merkwürdig bekannt vorkam, presste ein dünnes »Wie geht’s?« heraus.
    Aber er sagte nichts, starrte nur in die entgegengesetzte Richtung, bis schließlich die junge Frau für sie beide »gut« antwortete. Die Zigarette in der Hand, spielte sie mit einem der Zöpfe, zu denen ihr schwarzes Haar geflochten war, wie es auch zu einer Sechsjährigen gepasst hätte, zupfte an ihrem Kleid, das nur einer Sechsjährigen gepasst hätte, sagte endlich einen Namen, der wohl ihr gehörte, den meine Mutter in der Aufregung aber sofort wieder vergaß oder gar nicht erst verstand.
    »Angenehm«, murmelte sie und streckte die Hand aus. Aber die Frau schien ihre in der Luft hängenden Finger gar nicht zu sehen, rieb sich nur die Arme, während sie ein wenig auf und ab hüpfte. Offenbar fröstelte sie in ihrem Kleidchen. Immer wieder zog sie eine Seite bis zum Knie, woraufhin die andere noch weiter nach oben schnalzte, sodass ihr ganzer Oberschenkel zu sehen war. Aber das schien sie nicht zu stören. Genauso wenig wie das Schweigen. Als sehe sie keinerlei Notwendigkeit, das Auftauchen meiner Mutter in irgendeiner Form zu thematisieren, rauchte sie stumm vor sich hin, mit der gleichen Gelassenheit oder auch einfach nur Gleichgültigkeit, die meine Mutter schon bei Alex um den Verstand brachte, so gedoppelt aber erst recht. Vor allem aber führte es dazu, dass sie selbst noch viel dringender etwas sagen musste, egal was, was endlich in die geistreiche Frage »Na, macht ihr eine Zigarettenpause?« mündete.
    »Ja«, antwortete wieder die Frau für sie beide, »ich dachte, wenn ich mich ein Weilchen hier verstecke, ziehen die Pressefutzis vielleicht ab.« Ihr Gesicht blitzte auf, während sie einen Zug nahm.
    Meine Mutter nickte.
    Die Frau legte den Kopf nach hinten, bog den Hals von rechts nach links, als sei sie von all den ihr im Nacken sitzenden Fotografen schon ganz verspannt. »Seitdem sich mein Ex-Freund aus dem Profisport zurückgezogen hat, lassen sie mir kaum noch eine ruhige Minute. Ständig will irgendjemand ein Statement.«
    Meine Mutter fasste sich an die Stirn. Daher kenne ich sie, dachte sie, die Berühmtheit aus dem Laden!
    Das Mädchen blickte sie fragend an.
    »Woher wissen die Fotografen denn, dass Sie hier sind?«, fragte meine Mutter schnell.
    Die Exfreundin des (jetzt offenbar Ex-)Sportlers schmunzelte. »Das ist mein Lieblingslokal.« Sie schlug Alex leicht auf den Bauch. Zwischen seinen Knöpfen blitzte ein winziges bisschen Haut auf. »Das Essen, der Wein, die Musik«, ihr Gesicht nahm einen Ausdruck an, der wohl schwärmerisch sein sollte, »das ist einfach meins!«
    »Ah«, sagte meine Mutter.
    Die Berühmtheit wickelte einen Zopf um den Zeigefinger. »Es ist mir wichtig, den Kontakt zu meinen Wurzeln aufrechtzuerhalten«, sagte sie, und man konnte sehen, dass sie das nicht zum ersten Mal tat. »Meine Kultur liegt mir sehr am Herzen.« Sie ließ den Zopf wieder fallen, lächelte ein wenig. »Ein Abend hier ist wie ein Besuch zu Hause.«
    Der Geruch von altem Fisch zog an meiner Mutter vorbei. »Ihre Familie stammt doch aus Brasilien und nicht aus Portugal, oder?«
    »Ja, das stimmt«, sagte die Exfreundin des Exsportlers, offenbar gar nicht verwundert darüber, dass meine Mutter so gut über sie Bescheid wusste, »aber eigentlich ist das fast dasselbe.« Sie tätschelte wieder Alex’ Bauch, ließ ihre Finger langsam über seine Weste gleiten. »Und so guten Service wie hier kriegt man sonst nirgends«, sagte sie und begann richtig zu lachen.
    Meine Mutter dachte daran, wie bescheiden das Wissen war, das die Exfreundin des Exsportlers bei ihrem Einkauf über ihre ach so geliebte Heimat gezeigt hatte. Sie schaute zu Alex, sah auf einmal, dass er sein Wegstarren aufgegeben hatte und stattdessen die Berühmtheit betrachtete, die sich, plötzlich gar nicht mehr wortkarg, immer weiter zur Südländerin stilisierte, der »das«, womit sie

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