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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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Bauch nie einschlafen würde, dass niemand mit so einem Grinsen im Bauch jemals einschlafen können würde. Und dann schlief sie ein.

8. Kapitel
    Und wollte erstmal gar nicht mehr aufwachen.
    »Nee, mach du erstmal deinen Artikel fertig«, sagte sie, »ich will dir nicht den ganzen Tag stehlen.«
    »Keine Sorge«, sagte ich, »ich kann ja später, wenn der Arzt da ist, ein bisschen schreiben.«
    »Von ein bisschen gewinnt man keinen Kisch-Preis«, antwortete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hob das Kinn, das jetzt, wo sie kaum noch 40 Kilo wog, noch spitzer hervorstach, und sah mich mit diesem Na-hab-ich-etwa-nicht-recht?-Blick an. Vielleicht wollte sie auch einfach nicht, dass ich merkte, wie stolz sie war, dass sie nicht »Blumentopf« hatte sagen müssen, sondern sich das mit dem Journalistenpreis gemerkt hatte.
    »Wie du willst«, sagte ich und stand auf, nicht ganz schlüssig, ob ich wirklich gehen sollte. Ich stellte die Wasserflasche auf den Nachttisch, damit sie sich nicht bücken brauchte, goss ihr ein, legte das Buch daneben, das sie in Reichweite haben wollte, obwohl sie es nicht las.
    »Ruf aber, wenn was ist, ja?«, sagte ich. Ich schob den Stuhl zum Fenster, klemmte meine Kopien unter den Arm, packte meinen Laptop, der aufgeklappt auf dem Boden stand, und zog ihn hoch.
    Sie stieß die Luft durch die Nase. »Wenn du so mit deinen Sachen umgehst, brauchst du dich nicht zu wundern, dass alles kaputtgeht!«
    Ich bückte mich, um einen Zettel aufzuhalten, der aus dem Packen rutschte.
    »Mein Gott, da reißt doch der Bildschirm ab!«, rief sie.
    Ich versuchte ihr zu erklären, dass man einen Bildschirm nicht einfach so abreißen kann, nicht mal dann, wenn man sich Mühe gibt.
    »Ach ja?«, sagte sie spitz. »Bei der Oma aufm Speicher steht ne ganze Kiste mit Büchern, bei denen allen der Deckel abgerissen ist. Kuckste am besten mal, dann red ma weiter.«
    Einen Augenblick sah sie wieder aus wie früher.
    Ich setzte mich ins Arbeitszimmer, tat so, als würde ich schreiben, obwohl ich die meiste Zeit nur mit dem Textmarker zwischen den Zeilen herumkritzelte. Um Punkt fünf hörte ich das zaghafte Klopfen des Arztes. Er klingelte nie, weil er meine Mutter nicht aus dem Schlaf schrecken wollte. Dass ich ihm immer wieder sagte, dass sie sowieso wach sei, änderte nichts daran.
    Er reichte mir förmlich die Hand und fragte »nach dem werten Befinden«. Ich war mir nie sicher, ob er meines oder das meiner Mutter meinte, also sagte ich »wie gehabt«, was in jedem Fall stimmte.
    Er ließ sich von mir den Flur entlangführen, als sei er zum ersten Mal in dieser Wohnung. Seine Gummisohlen machten schmatzende Geräusche auf dem Boden, während er seinen massigen Körper in Fahrt brachte. Auf Höhe des Spiegels fiel er kurz zurück und sortierte sein Haar, oder was davon noch übrig war. Dann klopfte er genauso sanft wie zuvor gegen die Schlafzimmertür, fast so, als würde er sie streicheln.
    »Herein, wenn’s kein Schneider ist«, rief meine Mutter von drinnen, und während er eintrat, sah ich, dass sie sich aufgesetzt und die Decke von sich geschoben hatte.
    Ich wartete draußen, weil meine Anwesenheit sie und ihr Landmädelgetue mich aufregten. »Aber Herr Doktor!«, hörte ich sie kichern und ihn im Echo verlegen hüsteln, während er mit seinen Instrumenten klimperte. Erst als er fertig war, steckte er den Kopf aus der Tür und bat mich hereinzukommen, um mir zu zeigen, welche Medikamente sie nehmen müsste und welche sie aber wirklich auf jeden Fall nehmen müsste.
    »Keine Ausreden diesmal, dass das klar ist«, sagte er und versuchte streng zu kucken. Sein Bauch wackelte über dem Bund. Er schob die Hände unter den Hosenbund und zog ihn über die kreisende Hüfte wie einen Hulahupreifen nach oben. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, sodass man die von Sommersprossen gesprenkelten Unterarme sehen konnte.
    Er zog einen Block aus der kastenförmigen Tasche, schnippte mit dem Kuli neben seinem Ohr und schrieb etwas auf. Das Schwere, Zögerliche war aus seinen Bewegungen verschwunden. Sein Gesicht glänzte, während er zwischen ihr und mir hin und her schaute. Es war ihm anzusehen, dass wohl auch er einen Moment brauchte, um von einem Modus in den anderen zu wechseln.
    »Ich hab Ihnen hier noch mal alles aufgeschrieben«, sagte er und räusperte sich. »Vielleicht denken Sie mit dran, dass sie sie diesmal wirklich nimmt.«
    »Das sagst du der? Wenn bei der nicht der Kopf angewachsen wär,

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