Fuenf Maenner Fuer Mich
hinfahren, ihn umarmen, mich umarmen lassen, ihm sagen: Halt mich fest, lass mich nie mehr los … Aber das geht nicht. Nie mehr darf ein Mann Trost meiner Einsamkeit werden. Ich muss mich selbst trösten. Ich muss den harten Brocken schlucken. Und so erfinde ich die Übung Nagelbrett. Ich male mir aus, dass es für einen Fakir-Lehrling sehr schmerzhaft sein muss, auf dem Nagelbrett zu liegen. Jeden einzelnen Nagel spürt er in sein Fleisch eindringen, eine Tortur. Wenn er aber aushält, den ersten schneidenden Schmerz überwindet, immer wieder tief in ihn hineinatmet und ihn einfach nur erträgt, dann lässt der Schmerz langsam nach und es bildet sich eine dicke Hornhaut auf dem Rücken des Fakirs. Und irgendwann empfindet er das Nagelbrett als angenehm. Vermutlich kann ein Fakir dann gar nicht mehr anders, als auf dem Nagelbrett zu schlafen, ein weiches Bett empfindet er womöglich als Zumutung. Ich atme auf … es gibt für alles eine Lösung. In diesem Fall heißt die Lösung: Du hast Schmerzen? Dann leg noch einen drauf. Geh noch tiefer rein in die Qual und härte dich ab. Dann wird die Pein irgendwann normal und tut nicht mehr weh.
Ich leide unter dem Gefühl, nicht geliebt zu werden, bin auf Liebesentzug. Dabei ersehne ich die Liebe wie ein Ertrinkender das Land unter den Füßen oder wenigstens einen vorbeischwimmenden Balken. Darum muss ich mich sofort kümmern. Ich muss mir Liebe und Zuwendung holen, und zwar von den richtigen Menschen, vor allem von meinen Freundinnen, denn da kann nichts schiefgehen.
Trotzdem gehe ich sicherheitshalber zum Arzt. Ihn kann ich alles fragen, auch das: „Ist es normal, dass es mir so dreckig geht?“ Er überrascht mich mit einer ungewöhnlich philosophischen Antwort: „Annette, ich finde deine Entwicklung ganz beeindruckend! Hier sind deine Hausaufgaben: Entwickle Vertrauen in dich. Vertrauen in deine Intuition, du spürst doch sowieso alles, merkst alles. Nimm das einfach ernst und schätze das. Öffne dich trotzdem in deinen Beziehungen, dann spürst du noch mehr und erkennst. Keine Angst!“
Schmetterlinge im Bauch
Seit dieser wilden Nacht im Hotel ist alles anders. Mein Körper hat sich verändert und ich erkenne mich kaum wieder. Die Tage beginnen ruhig. Ich stehe auf, frühstücke, gehe in mein Büro und setze mich an den Schreibtisch. So weit, so altbekannt. Dann blicke ich auf den Bildschirm, ohne irgendetwas Sinnvolles zu tun. Das ist mir eher unbekannt, oder sagen wir, das ist mir erst bekannt seit Tag null. Aber auch nach sechs Monaten habe ich noch nicht resigniert und hoffe täglich auf Veränderung, hoffe, dass mich die Muse der Arbeit wieder küsst und meine drei verbliebenen Gehirnzellen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. So vergeht der Vormittag, unterbrochen von einigen Tassen Kaffee, meditativen Blicken aus dem Fenster und ein paar privaten Telefonaten, meist mit meiner Freundin Sonja. Gegen Mittag beginnen dann die Vergiftungserscheinungen. Zunächst spüre ich es in den Füßen, dann schleicht es langsam die Beine hoch, nimmt Besitz von meinen Fingerspitzen, den Händen, den Armen, breitet sich im Kopf aus und mit der Eroberung meines Oberkörpers ist die Lähmung komplett. Ich fühle mich wie nach dem Biss einer Kobra: totale Unbeweglichkeit, ich kann mich nicht dagegen wehren. Dabei denke ich ständig an ihn, an Jörg. An den unglaublich geilen Sex. An unsere Affäre von damals, an unser nächstes Treffen, dem ich entgegenfiebere.
Ich schildere die Symptome meinen Freundinnen und bekomme von ihnen allen die gleiche bedrohliche Diagnose: Du bist verliebt! Viola sagt sogar: Du hast Sehnsucht. Ich schaue sie an, als zweifelte ich an ihrem Verstand.
Wie kommt sie auf diese abstruse Idee? Was haben körperliche Leiden mit so etwas Abstraktem wie Verliebtsein zu tun? Ich weigere mich standhaft, das zu glauben, und beobachte einfach nur weiter meinen Körper, der so ein verdammtes Eigenleben führt. Nach einigen Tagen scheint er sich selbst das Gegengift holen zu wollen und zwingt mich morgens früh direkt nach dem Aufstehen, ohne zu duschen oder die Zähne zu putzen, in meine altertümlichen Sportschuhe und raus auf die Straße. Die Schuhe habe ich mir vor etlichen Jahren mal gekauft und sie noch nie benutzt. Als Kind war ich sehr sportlich, doch das hat sich ausgewachsen. Seitdem verweigerte ich jegliche körperliche Anstrengung, nach dem Motto: Sport ist Mord.
Und jetzt trabe ich jeden Morgen bei eisiger Kälte durch den Park, es scheint Teil
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