Fuenf Maenner Fuer Mich
meiner Verwandlung zu sein. Ich kann es selbst kaum glauben. Ich beginne mit 20 Minuten und steigere mich langsam auf 30. Dabei habe ich die beste Errungenschaft seit Tag null dabei: meinen iPod, auf dem ich „Radio Bemba“ von Manu Chao höre, immer wieder, Tag für Tag, ich komme nicht auf die Idee, etwas anderes abzuspielen. Zu Beginn ändert sich meine Laufgeschwindigkeit mit dem Rhythmus. Ich laufe mal im Zweidrittel-, mal im Siebenachteltakt, das ist höchst anstrengend und sieht bestimmt originell aus. Aber irgendwann bringt mich nichts mehr aus dem Konzept.
Zwei Monate lang renne ich wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die öffentlichen Grünflächen, bis ich stechende Schmerzen in der Hüfte spüre. Mein Freund Gregor schimpft mit mir. Er ist Marathonläufer und rauft sich seine wenigen Haare, als er von meiner Gewalttour hört. Er schickt mich in ein Sportgeschäft, wo man meine Lauftechnik auf dem Band analysiert und mir zu den passenden Schuhen verhilft. Die Verkäuferin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie meine Treter sieht: „Solche Modelle gibt es schon seit Jahren nicht mehr, die gehören ins Museum.“
Ich kleide mich komplett neu ein: Laufhose, T-Shirts, Windjacke, Gürteltasche und Schweißband. Am nächsten Morgen will ich in meinem topmodernen Outfit lossprinten. Aber jetzt streiken die Knochen, nichts geht mehr und ich bitte Gregor kleinlaut um die Telefonnummer seines persönlichen Trainers und Arztes, um mich in seine professionellen Hände zu begeben.
Gregors Personal Trainer ist ein Luxus, den ich mir jetzt leisten will. Eine Stunde mit ihm kostet so viel wie der Monatsbeitrag in einem Fitnessstudio, aber allein die Vorstellung, dass ein so kompetenter, durchtrainierter und charmanter Mann sich ab sofort wöchentlich zwei Stunden nur mit meinem Wohlbefinden beschäftigen wird, sorgt bei mir für federnde Schritte. Ich fühle mich wie Madonna und buche ihn auf der Stelle.
Lust essen Seele auf
Heute war es wieder schlimm. Bis halb zwölf war alles okay, dann schlich es sich wieder an. Das Gift, das böse, böse Gift. Ich nahm ein Bachblüten-Rescue-Gummibärchen – einige meiner Freundinnen schwören darauf, sie sagen, es soll Wunder wirken bei Notfällen –, dann ein zweites, ein drittes … beinahe hätte ich die ganze Schachtel leer gefuttert, aber leider blieb die Wirkung aus. Ich arbeitete noch eine Weile recht konzentriert, allerdings mit dem Gefühl, ganz alleine einen Lkw einen Berg hochzuschieben …
Gott sei Dank rief Sonja an und wir gingen zwei Stunden im Park spazieren und tranken Kaffee bei strahlendem Sonnenschein. Danach ging es etwas besser, aber während der Fahrt zu meinem Steuerberater – mit dem Rad durch den Wald – trifft mich der Blues mit voller Wucht und ich heule den ganzen langen Weg. Alle möchten mich vernaschen wie eine Delikatesse, nur um dann so schnell wie möglich wieder zum Brot überzugehen. Ich bin alleine, habe niemanden, der mit mir durch dick und dünn geht und mich beschützt. Ich fühle mich verschmäht und schimpfe mit mir: Was hast du da für ein tolles 5L-Projekt, wenn du am Ende doch nur die einzige Frau eines einzigen Mannes sein willst? Was hängst du deine komplette Seele an Birkensohle nach nur einer Nacht, wo es doch ein Horror für dich wäre: nur ein Mann; und dazu noch ein Deutscher, aus der Provinz. Wo es doch ganz andere Verlockungen gibt: die Welt, die Kunst, der Reichtum. Jede Menge Abenteuer. Jede Menge Adrenalin pur …
Aber nein, Birkensohle martert Tag und Nacht mein armes Hirn.
Ich ermahne mich streng, nicht alles durcheinanderzuwerfen. Ein bisschen Verständnis habe ich aber schon mit mir. Nach so einem Zusammenbruch muss man erst wieder aufstehen, um emotional laufen zu lernen. Was ist es, wenn Wasser aus den Augen tritt? Das ist Weinen, Traurig-sein! Was ist es, wenn das Herz flattert, ein Loch sich in der Brust auftut? Das muss ich alles peu à peu herausfinden, Schritt für Schritt. Ich darf nicht mehr alles verwechseln: Sex mit Liebe, Leidenschaft mit Verzweiflung, Verliebtsein mit der Angst vor Einsamkeit, Zärtlichkeit mit der Angst vor Unterkühlung, Komplimente mit Monologen. Ich will beobachten, abwarten, nachdenken, geduldig sein. Auch wenn das nicht gerade meine Stärken sind, ist es viel neues Futter für mein 5L-Regelwerk. Denn wenn ich mich nicht daran halte, bekomme ich vielleicht genau das, was ich nicht haben will!
Vielleicht ist diese Phase der Verzweiflung eine
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