Fünf: Schwarzwald Thriller 1
wenn er mit ihr fertig war.
Er stand auf und platzierte Julias Unterhemdchen so am Fußende von Katrins Bett, dass es aussah, als hätte es dort jemand vergessen.
Ihr Blut daran würde zweifelsfrei beweisen, dass es ihr Hemd war.
Dann riss er sich zwei Haare aus und legte sie auf das Kopfkissen. Die Spurensicherung würde den Rest übernehmen, wenn Katrin das Unterhemd fand.
Er strich nachlässig das zerwühlte Bettzeug glatt und betrachtete zufrieden sein Werk.
Sorgfältig schloss er die Wohnung ab und setzte sich in seinen Wagen. Wie schon auf dem Weg ins Haus hinein, beachtete ihn auch auf dem Rückweg niemand. Wer auch? Er hatte darauf geachtet, dass keine Geräusche im Treppenhaus zu hören waren. Wie zufällig strich sein Blick über die Hausfassade. Er hätte die verräterische Bewegung einer Gardine bemerkt, hätte sich jemand dahinter verborgen, um auf die Straße zu sehen. In der Kleidung eines Handwerkers konnte man offenbar unbesorgt in Mietshäuser hinein- oder hinausmarschieren, ohne dass sich jemand über den Fremden wunderte.
Leise vor sich hin pfeifend fuhr er los. Es war Zeit, sich um das andere kleine Problem zu kümmern.
*
Katrin hatte den ganzen Tag telefoniert. Einen Anruf hatte sie sich bis zum Schluss aufgehoben.
»Hallo, Mama«, sagte sie und versuchte, fröhlich und unbeschwert zu klingen.
»Hallo, mein Schatz. Schön, dass du dich meldest.« Der vorwurfsvolle Ton in der Stimme ihrer Mutter war Katrin nur allzu bekannt und deshalb fiel es ihr nicht schwer, ihn zu ignorieren und zum Wesentlichen zu kommen.
»Mama, ich wollte mich noch bei dir und Papa bedanken, weil ihr so umsichtig gewesen seid, eine Putzhilfe für meine Wohnung zu engagieren.«
»Aber Katrin …«
»Nein, lass mich weitersprechen, Mama, bitte.« Sie wollte sich auf keinen Fall auf eine Diskussion über ihre hausfraulichen Fähigkeiten einlassen. »Ich hätte gern die Adresse des Dienstes, weil ich ihn wirklich nicht mehr brauche. Morgen werde ich einen Makler anrufen und ein Umzugsunternehmen beauftragen, das meine Sachen aus der Wohnung holt und zu Darren bringt. Viel ist es ja nicht.« Sie machte eine Pause, damit ihre Mutter verarbeiten konnte, was sie gesagt hatte.
Innerlich hatte sie schon alle Argumente parat, die sie vorbringen würde, wenn ihre Mutter ihr vorwarf, dass sie die Dinge mit Darren übereilte.
»Aber Kind, ich weiß nicht, wovon du überhaupt redest.«
Es dauerte einige Sekunden, ehe Katrin realisierte, was die Worte ihrer Mutter bedeuteten.
»Was?« Sie schüttelte verstört den Kopf.
»Ich weiß nicht, von was für einer Putzhilfe du sprichst, Katrin«, wiederholte ihre Mutter langsam, als hätte sie es mit einem Kleinkind zu tun. »Ehrlich, mein Schatz. Dein Vater und ich hatten andere Dinge im Kopf als die Sauberkeit in deiner Wohnung.«
Katrin hörte, wie sie tief einatmete, um Luft für den Redeschwall zu haben, der zweifellos kommen würde.
»Du hast ja keine Ahnung, wie das für uns gewesen ist, als man dich nach Rottweil in diese fürchterliche Klinik gebracht hat. Du hast einfach nur dagelegen, nicht gesprochen, nicht gegessen. Du hast dich kaum bewegt, und wenn, dann hast du dich gewiegt wie ein Kind und dabei fürchterliche Töne von dir gegeben. Wie ein Tier in einer Falle.«
Katrin wollte das alles nicht hören.
Nicht schon wieder.
»Mama, ist gut. Ich bin wieder gesund und wir müssen die ganze Sache jetzt vergessen und hinter uns lassen.«
»Und wie sollen wir das alles hinter uns lassen, wenn du wieder mittendrin steckst? Ich will es dir mal so erklären, mein Schatz. Du bist aus einem Flugzeug gesprungen und dein Fallschirm hat sich nicht geöffnet. Du hast mit sehr viel Glück überlebt, und man sollte meinen, du würdest in Zukunft einen großen Bogen um Flugzeuge machen. Stattdessen sitzt du wieder in einem, befindest dich auf dem Weg nach oben, nur diesmal hast du nicht mal einen Fallschirm mitgenommen.«
Katrin stöhnte. Ihre Mutter hatte schon immer ein Talent gehabt, sprachgewaltige Beispiele für jede erdenkliche Möglichkeit zu erfinden.
Aber in diesem Fall musste sie ihr widerwillig recht geben. Irgendjemand ging in ihrer Wohnung ein und aus. Und solange sie nicht wusste, wer es war, war sie nicht sicher.
*
Er stand an der Tür des kleinen Verschlags.
Sie war wach und beobachtete ihn aufmerksam.
Klar waren ihre Augen von der Angst unnatürlich groß und weit, aber das ließ das Blau nur noch vorteilhafter zur Geltung
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