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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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erst Georg. Sie wollte zunächst nur spaßen, aber der Spaß wurde Marion gründlich heimgezahlt. Für den Rest des Abends zeigte Georg, daß er Temperament hatte, und Christian, daß er ein guter Verlierer war. Zudem noch Georgs Freund.
    Von Tisch zu Tisch lief die Nachricht von der plötzlichen Verlobung weiter bis zum Admiral. Und dann gab es Sekt, Friedensware, und man stieß auf Marion und Georg an, ließ sie hochleben.
    Zuletzt brachte Georg seine Marion nach Hause und bewies ihr, daß auch ein moderner Wikinger Feuer unter der Haut haben konnte. Seine Lippen waren so stürmisch wie seine Arme, und er ließ Marion nicht los, und Marion wollte nicht losgelassen werden. Der Krieg ließ ihnen ohnedies nicht viel Zeit, und so ging alles so schnell wie die Verlobung: die Hochzeit, die Flitterwochen, der neue Einsatz, die Geburt Jürgens, des Jungen, sein erster Geburtstag, sein zweiter, der dritte. Georg hatte Glück. Er kam durch. Immer wieder.
    Marion wußte, daß er den Krieg nicht mochte, aber er tat ihn vor ihr als Bagatelle ab. Er bat sie, von Berlin wegzugehen, irgendwohin, nach Oberbayern oder Ostpreußen, in eine Provinz ohne Fliegeralarm. So zog sie mit Jürgen in die Nähe von Marienburg.
    Dort fielen keine Bomben, aber es kamen die Russen. Viel später freilich, als die Sache mit Georg geschah.
    Marion hatte Angst um ihn, jeden Tag. Sie fürchtete, daß er fallen könnte. Es war die Furcht von Millionen Frauen, deren Männer an der Front standen. Es fielen täglich Tausende.
    Wie alle, die fassungslos dem plötzlichen Leid konfrontiert wurden, hätte Marion sich vielleicht eines Tages damit abfinden können, mit der Endgültigkeit, dem Wissen, daß nichts zu ändern war, daß das Leben weiterging und daß Georg nicht gegangen war, ohne Jürgen zurückzulassen.
    Aber der Schlag, der Marion Fährbach traf, war anders: gemeiner, unverständlicher. Genau vor einem Jahr. Über Nacht. Ohne Übergang. Der Sturz tief nach unten, direkt aus dem Himmel. Je höher man steht, desto tiefer fällt man, je tiefer man stürzt, desto tödlicher ist der Fall.
    Marion hört Geräusche, Rufe, Worte, merkt, daß sie nicht mehr träumt und auch nicht mehr allein ist. Unter Menschen, irgendwo ausgesetzt … ohne Georg.
    Jürgen, denkt sie und kommt nach vielen Stunden Schlaf langsam zu sich, wie nach einer Operation, wie nach einem Verkehrsunfall, versucht sich aufzurichten, die Umgebung zu erfassen, klar zu denken, sieht in ein paar gute Augen hinter einer randlosen Brille.
    »Dr. Corbach«, sagt der Mann zu ihr, »ich bin der Schiffsarzt … Sie haben durchgeschlafen … Wir sind gleich am Ziel.«
    »Und … Jürgen …«
    »Wir …«
    »Mein Junge?«
    »Wir werden ihn finden«, sagt der Arzt. »Ruhen Sie weiter … Wir werden ihn über die Lautsprecher suchen lassen … Wie heißen Sie?«
    »Fährbach«, erwidert die junge Frau.
    »Fährbach«, wiederholt der Mann. Seine Augen haben einen Willen, eine Macht, die sie müde macht, wohlig müde, warm, die vergessen macht und hoffen läßt. Und während Marion ganz kurz noch einmal einschläft, denkt sie klar und exakt: Wie dumm von mir, hier ist Ordnung, keine Panik, wenn ich diesem Arzt sage, daß mein Mann Schiffsoffizier ist … oder war, wenn ich ihn bitte, zum Kapitän zu gehen und mir zu helfen …
    Alles wird sich geben, denkt Marion Fährbach und schläft mit einem gelösten Lächeln wieder ein.
    »Diese Idioten«, ruft Möhrenkopf, als er den Funkspruch entschlüsselt hat, »diese verdammten Narren!«
    »Was ist denn los?« fragt ihn Christian Straff.
    »Wir sollen nicht in Lübeck anlegen, sondern in der Neustädter Bucht … das mit einem Tiefgang von 8,7 Meter … Anordnung von der Kriegsmarine. Kein Wunder, daß diese Knallköpfe den Krieg verloren haben!«
    »Haben sie ihn denn schon verloren?« fragt der Funkoffizier.
    »Bald.«
    »Dann sieh zu, daß du deine Rübe nicht noch vorher verlierst, Schlaukopf!«
    Christian Straff liest den Klartext. Auch er weiß nicht, warum man das Schiff ausgerechnet in der Neustädter Bucht einlaufen läßt. Die ›Cap Arcona‹ kann dort nicht anlegen. Sie hat keine einsatzfähigen Rettungsboote, die die Flüchtlinge an Land bringen.
    »Das dauert mindestens einen Tag, bis wir die Bande von Bord haben«, sagt Möhrenkopf, »inzwischen sind die Wolken weg, und die Tommies zerdeppern uns mit ihren Bomben wie ein faules Ei …«
    »Dann ist wenigstens Schluß«, entgegnet sein Funkoffizier. »Bis dahin bringen wir die

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