Fuer alle Faelle Emma
seine eigene Schand«, sagte die andere. »Lass dir das eine Lehre sein, junges Fräulein!«
Wenn ich nicht so sauer gewesen wäre, hätte ich laut losgelacht. Es war eigentlich ziemlich komisch, dass die Frau ausgerechnet einen von Omas Sprüchen zitierte. Leider war mir kein bisschen zum Lachen zumute.
»Wenn Sie sich so gut mit Erziehung und Benehmen auskennen, müssten Sie eigentlich wissen, dass man nicht schlecht über andere Leute reden soll«, sagte ich.
»Also, das ist doch wirklich die Höhe!«, keifte die eine Frau. »So etwas lasse ich mir von einer Rotzgöre nicht bieten!«
»Ich bin keine Rotzgöre!«, rief ich.
Die Leute an den anderen Tischen begannen, sich nach uns umzudrehen, und die Gespräche verstummten. Alle starrten uns an. Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.
Plötzlich tauchte Oma neben mir auf. »Was ist los, Emma?«, fragte sie. »Gibt es Probleme?«
Aber die beiden Frauen ließen mich gar nicht zu Wort kommen.
»Was los ist?«, rief die eine aufgebracht und wedelte mit den Armen. »Das kann ich Ihnen sagen! Ihre Enkelin benimmt sich einfach unmöglich!«
Die andere Frau nickte und machte ein entrüstetes Gesicht. »Erst belauscht sie uns und dann wird sie auch noch frech!«
»Stimmt das, Emma?«, fragte Oma.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, es war ganz anders. Die beiden alten Schachteln haben über uns hergezogen, und da hab ich ihnen die Meinung gesagt.« Meine Stimme bebte vor Wut, aber ich versuchte, trotzdem ganz ruhig zu bleiben. »Sie haben erzählt, dass bei uns zu Hause alle nackt herumlaufen und dass das Gesundheitszentrum verboten werden sollte.«
Oma wurde blass und sah die beiden Frauen an. »Tatsächlich? Das ist ja interessant.«
»Stimmt das etwa nicht?«, rief die eine Frau. »Frau Wieser hat es schließlich mit eigenen Augen gesehen! Wir haben also nur die Wahrheit erzählt, und das ist ja wohl nicht verboten, oder?«
Jetzt platzte mir doch der Kragen. »Mann, wie kann man nur so blöd sein? Das war doch bloß unser Aktmodell! Und Aktmodelle müssen nackt sein, sonst wären es schließlich keine Aktmodelle, klar?«
In diesem Moment kam Pfarrer Pauli in den Gemeindesaal. Keine Ahnung, wo er die ganze Zeit gesteckt hatte. Vielleicht war er auf dem Klo gewesen oder so was. Schließlich müssen auch Pfarrer ab und zu auf die Toilette. Als er sah, was los war, bekam er sofort einen hochroten Kopf und rauschte mit wehendem Talar herbei. Er sah aus wie ein Racheengel.
»Was ist denn hier los?«, fragte er. »Emma, du kannst doch Frau Müller und Frau Richter nicht so anschreien! Das geht wirklich zu weit. Ich finde, da ist jetzt erst mal eine Entschuldigung fällig!«
Frau Müller und Frau Richter nickten beifällig und machten zufriedene Gesichter.
»Aber ...«, fing ich an.
Doch der Pfarrer ließ mich nicht ausreden. »Kein Aber, Emma. Ich habe ja wirklich für vieles Verständnis, aber was zu weit geht, geht zu weit. Entschuldige dich jetzt bitte bei den beiden Damen, und zwar sofort.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sagte trotzig: »Eher beiße ich mir die Zunge ab.«
Pfarrer Paulis Gesicht wurde noch etwas röter, und er schnappte nach Luft. Er sah aus, als würde er jeden Moment einen Herzinfarkt bekommen.
»Vielleicht solltest du dir erst mal anhören, was Emma zu sagen hat, ehe du dir ein Urteil bildest«, sagte Oma, aber Pfarrer Pauli hörte nicht auf sie.
Er schaute mich streng an. »Entweder du entschuldigst dich jetzt, oder du verlässt sofort den Raum.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um, ging aus dem Gemeindesaal und knallte die Tür hinter mir zu. Pfarrer Pauli konnte mir gestohlen bleiben. Und sein blödes Gemeindefest auch. Ganz Tupfingen konnte mir gestohlen bleiben. Nein, nicht nur ganz Tupfingen, sondern die ganze blöde, ungerechte Welt!
15. Kapitel
Kitschfilm mit Folgen
anu, ist das Gemeindefest etwa schon zu Ende?«, fragte Mama überrascht, als ich mit hängenden Schultern in die Küche kam. Sie saß mit einem Taschenrechner und einem Haufen Papier am Küchentisch und machte die Buchhaltung für das Gesundheitszentrum.
»Ja«, sagte ich. »Für mich schon.« Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und starrte missmutig auf den Fußboden. Paul kam schwanzwedelnd auf mich zu und wollte gestreichelt werden, aber ich hatte keine Lust. Er stupste mich ein paarmal mit der Nase an. Als ich nicht reagierte, verkroch er sich enttäuscht wieder in seinen Hundekorb neben der Heizung.
Mama schob einen Stapel
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