Fuer alle Faelle Emma
Rechnungen beiseite und legte den Kugelschreiber weg. »Was ist denn los?«, fragte sie. »Hat es dir nicht gefallen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Kein bisschen. Es ist alles total schief gelaufen. Erst Tim und Lea, dann die zwei alten Schachteln und zum Schluss auch noch Pfarrer Pauli!« Meine Stimme zitterte, und eine Träne lief mir über die Wange. »Und jetzt habe ich auch noch Oma vor allen Leuten blamiert. Dabei wollte sie doch einen guten Eindruck machen! Sie ist bestimmt total sauer auf mich ...« Nun fing ich richtig an zu heulen. Im Nu war mein Gesicht klitschnass.
Mama stand auf und nahm mich in die Arme. »Ist ja alles gut, Emma-Schatz«, sagte sie leise.
Ich wusste zwar, dass überhaupt nicht alles gut war, aber Mamas Worte beruhigten mich trotzdem ein bisschen. Nach einer Weile hörte ich auf zu weinen und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Mama reichte mir ein Taschentuch. »So, und jetzt erzählst du mir erst mal alles der Reihe nach.«
Ich holte tief Luft und erzählte Mama die ganze Geschichte. Als ich an der Stelle angekommen war, wo die beiden alten Schachteln über das Gesundheitszentrum lästerten, begann Mama plötzlich zu kichern.
»Was ist denn daran so witzig?«, fragte ich verdutzt.
»Haben sie wirklich gesagt, dass bei uns alle nackt herumlaufen? Das glaub ich einfach nicht! Das ist wirklich zum Schreien komisch! Gesa lacht sich bestimmt tot, wenn ich ihr das erzähle ...« Mama konnte gar nicht mehr aufhören zu kichern, und ich musste auch ein bisschen grinsen.
»Eigentlich ganz schön bescheuert, so was zu erzählen, oder?«, sagte ich. »Die zwei Tanten müssen wirklich ein Rad ab haben.«
Mama nickte. »Allerdings.« Sie wurde wieder ernst. »Ich finde es gut, dass du den beiden Lästertanten die Meinung gesagt hast. Und wenn Gerhard das anders sieht, ist das sein Problem.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich. »Wegen der Lästertanten, meine ich. Wir können doch nicht zulassen, dass sie lauter fiese Lügen über uns im Dorf verbreiten!«
Mama sah mich nachdenklich an. »Weißt du was? Ich finde, wer den Quatsch glaubt, ist selbst schuld. Am besten ignorieren wir das dumme Gerede einfach, dann erledigt sich die Sache bestimmt von selbst.«
Ich war mir da nicht so sicher, aber bevor ich etwas sagen konnte, wurde die Küchentür aufgerissen und Oma stürmte herein. Ihre Löckchen standen wild vom Kopf ab, und ihre Augen blitzten zornig. Sie sah stinksauer aus. Wenn Oma richtig sauer ist, ist das ungefähr so, als würde ein Wirbelsturm mit Windstärke zwölf durchs Haus fegen. Mama behauptet immer, ich hätte mein Temperament von Oma. Aber ich glaube, sie will nur die Verantwortung für meine gelegentlichen Wutanfälle auf jemand anderen abschieben. In Wirklichkeit habe ich mein Temperament nämlich von ihr. Und Mama hat es von Oma – also habe ich es irgendwie doch von Oma, bloß auf Umwegen.
Ich duckte mich auf meinem Stuhl und wartete auf Omas Donnerwetter. Gleich würde sie mich zur Schnecke machen, weil ich ihr ihren großen Tag verdorben und sie vor der ganzen Gemeinde unmöglich gemacht hatte.
»Das ist doch wirklich die Höhe!«, begann Oma mit hochrotem Kopf zu schimpfen. »Wie man sich in einem Menschen nur so täuschen kann ...«
Ich schluckte. Oma war offenbar richtig enttäuscht von mir. So ein Mist! Ich hatte es mal wieder total verbockt.
»Tut mir echt leid, Oma«, sagte ich und schielte vorsichtig zu ihr hinüber. »Ich wollte dich nicht vor allen blamieren.«
»Wie bitte?« Oma machte ein verwirrtes Gesicht. »Aber ich rede doch gar nicht von dir, Emma-Kind.«
»Von wem denn sonst?«, fragte ich.
»Von Gerhard natürlich, diesem riesengroßen Rindvieh!« Oma schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich kann einfach nicht glauben, dass er sich hinter diese zwei Klatschmäuler gestellt hat! Und dich einfach vor versammelter Mannschaft runtergeputzt hat, obwohl er überhaupt nicht wusste, worum es ging! Aber das hat mir die Augen geöffnet. Ich frage mich wirklich, ob Gerhard der richtige Mann für mich ist ...« Oma ließ sich erschöpft auf einen Küchenstuhl fallen.
»Jetzt reg dich erst mal wieder ab, Mutti«, sagte Mama. »Und dann redest du einfach noch mal mit Gerhard über die Sache. Wer weiß, vielleicht hatte er ja seine Gründe ...«
»Gründe? Was denn für Gründe?«, rief Oma. »Für so ein Verhalten gibt es doch keine Gründe! Außerdem habe ich es mir mit seiner Gemeinde jetzt sowieso verscherzt. Die haben mich alle
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