Fuer den Rest des Lebens
wieder, es ist etwas ganz anderes, er ist kein echter Bruder!
Aber du hast nie einen echten Bruder gewollt, erinnert sie ihre Tochter mit einem Vorwurf in der Stimme, den sie nicht unterdrücken kann, als ich noch Kinder bekommen konnte, hast du es nicht gewollt, und Nizan antwortet trocken, warum hast du mich überhaupt gefragt? Seit wann berät man sich in solchen Dingen mit seinen Kindern? Du hättest mich nicht zu fragen brauchen, und vor allem hättest du dich nicht nach meiner Meinung richten müssen, du hast einen Fehler gemacht, und kühl fügt sie hinzu, aber man korrigiert den einen Fehler nicht mit einem zweiten.
Dann muss ich mich vielleicht auch jetzt nicht nach deiner Meinung richten, sagt Dina, und eine nicht gekannte Feindseligkeit gegen ihre Tochter steigt in ihr auf, du hast leicht reden, du bist jung, dir steht alles offen, und ich, was bleibt mir, außer zuzusehen, wie du dich entfernst, und Nizan sagt, du brauchst dich wirklich nicht nach meiner Meinung zu richten, du wirst sie auch nicht mehr hören, weil ich nämlich nicht mehr hier sein werde, und Dina erschrickt, ach so, und wo wirst du sein?
Das geht dich nichts an, zischt Nizan, unsere Familie willst du kaputt machen und ein beschissenes Kind hierherbringen, das sich sowieso nie bei uns zu Hause fühlen wird, und wo willst du es überhaupt unterbringen? Wir haben kein zusätzliches Zimmer. Siehst du, du rechnest schon mit meinem Zimmer, und Dina sagt, hör auf mit dem Blödsinn, dein Zimmer gehört dir, hör auf, mich mit diesem Quatsch zu erpressen, seit wann brauchst du Beweise für meine Liebe? Du hast immer alles von mir bekommen, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, auch wenn du denkst, du könntest darauf verzichten.
Genau das ist der Punkt, schreit sie, genau das ist es, was alles so verzwickt macht, dass es meinetwegen ist, weil ich erwachsen werde und es dir schwerfällt, das zu akzeptieren. Wieso denn?, entgegnet Dina hilflos, ich freue mich, dass du groß wirst, und es fällt mir überhaupt nicht schwer, ich spüre nur einfach, dass ich noch ein Kind großziehen will, warum sollte ich es nicht tun, und Nizan schreit wieder, mit rotem Gesicht, Tatsache ist doch, dass du vorher nicht wolltest, bevor ich groß wurde, es ist pure Verzweiflung.
Wieso Verzweiflung?, protestiert Dina, ich schaue in die Zukunft und wünsche mir, etwas einem anderen Menschen zu geben, was heißt da Verzweiflung? Aber ihr schwacher Widerspruch überzeugt sie noch nicht einmal selbst, geschweige denn ihre Tochter, die sich in einer Ecke des breiten Sofas zusammengerollt hat und immer wieder ihre Brille abnimmt und sich die Nase reibt, ich werde nicht mehr hier wohnen, wiederholt sie, wenn du ein Kind herbringst, und Dina schüttelt den Kopf, wie kannst du nur so verbohrt sein, nach allem, was ich für dich getan habe? Warum bin ich dir egal? Wie kannst du nur so egoistisch sein, nicht bereit, ein bisschen zu teilen.
Ich teile mit dem, mit dem ich teilen will!, schreit ihre Tochter vom anderen Ende des Sofas, und Dina steht schnell auf und geht in die Küche, gießt sich mit zitternden Händen ein Glas Wasser ein, die Ernüchterung erhebt sich wie ein Eisberg vor ihr, spitz und hart, alles war umsonst, all diese Jahre, ihre Liebe. Wortfetzen klingen in ihren Ohren, zufällig aufgeschnappt beim Frisör, im Autobus, in Cafés: Sie sind undankbar, diese Kinder, man darf nichts von ihnen erwarten, nur Enttäuschung, je älter sie werden, aber sie hat sich immer sicher gefühlt, nie wäre ihr die Möglichkeit in den Kopf gekommen, dass Nizan sie so verletzen könnte. Es war alles umsonst, nicht nur ihre scheinbar enge Beziehung, mit der Entfremdung könnte sie sich noch abfinden, aber zu was für einem Menschen ist sie herangewachsen, selbstsüchtig und gnadenlos, wie ist das passiert, und sofort wandert der beschuldigende Finger zu Gideon, was willst du, du hast sie nicht allein erzogen, er ist es, das kommt von ihm, und trotzdem fällt es ihr schwer zu glauben, dass ihre Tochter das gesagt hat, ist das das Mädchen, das jedes Kätzchen auf der Straße streichelt und füttert? Das Mädchen, das jedem Bettler etwas gibt, dem jede Nachricht von Leid und Unglück Tränen in die Augen treibt? Sie meint es nicht ernst, sie stellt mich nur auf die Probe.
Erst vor wenigen Monaten hat Nizan ihr von einer Verrückten erzählt, die sie auf der Straße gesehen hatte und die fluchend herumrannte. Ich hatte kein Mitleid mit ihr, sagte sie ernsthaft, denn
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