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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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zieht ein Buch aus dem Regal, aber wenn sie auf dem Rücken liegt und das Buch offen vor sich hält, fällt das Licht auf ihre Arme mit der schlaffen Haut, und sie fragt sich erstaunt, was sie mit diesem Arm zu tun hat, er erinnert sie an den Arm ihrer Mutter, was hat sie mit den Strömen zu tun, die ihren Körper erschüttern, mit der glühenden Lava und dem schmelzenden Schnee.
    Wenn sie sich morgens erschöpft anzieht, vor dem wirren Bettzeug, bemerkt sie, dass im Büstenhalter, den sie zuhakt, zwei Fleischsäcke ruhen, und sie wendet deprimiert den Blick ab. Natürlich hat sie nicht erwartet, ihre Jugendlichkeit zu bewahren, schließlich beobachtet sie schon seit Jahren das Altern ihrer Mutter, aber es wäre ihr nie eingefallen, dass es so schnell gehen könnte, sie fragt sich, ob ihrer Familie diese Veränderungen nicht auffallen, sie gehen mit ihr um wie immer, während sie sich doch verändert. Sie hat das Gefühl, dass es zurzeit die Wohnung ist, die ihr besonders nahesteht, mit den vier Zimmern und dem verglasten Balkon, der sich ebenfalls fragt, wohin alle verschwunden sind, denn am Nachmittag war immer viel los auf ihm, wenn Nizan mit einer oder zwei Freundinnen aus der Schule kam, manchmal ist auch Gideon früher heimgekommen, um seine Filme zu entwickeln, er tauchte sie in die Wannen, zeigte sie ihr und fragte sie um Rat, die Mütter von Nizans Freundinnen waren zu einem Kaffee geblieben, und manchmal riefen Studentinnen an, doch jetzt scheint die Wohnung zu verwaisen, die dürren Zimmer schließen durstig die Augen, denn Gideon kommt spät zurück, und dann ist er müde und hat keine Lust zu reden, er setzt sich an seinen Laptop und schickt Fotos an die Redaktion, manchmal lässt er eine Bemerkung über die jungen Redakteure fallen, die sich nicht auskennen und keine Ahnung haben, welche Fotos sie auswählen sollen, und Nizan zieht es meistens vor, ihre Freundinnen nach Hause zu begleiten oder mit ihnen durch die Stadt zu streifen, und wenn sie heimkommt, verschwindet sie in ihrem Zimmer, und Dina bleibt zögernd vor der verschlossenen Tür stehen, lauscht dem Quietschen der Matratze, dem Klingeln des Telefons, dem Klappern der Computertastatur und dem Kichern, das durch die Tür dringt, sie schafft es schon nicht mehr, zwischen menschlichen und elektronischen Stimmen zu unterscheiden, und so verloren die Stunden des Tages ihre klare, beruhigende Struktur und wurden zu einem Zeitbrei, eine Zeit, mit der man wunderbare Dinge hätte tun können, Bedürftigen helfen oder verborgene Fähigkeiten zum Leben erwecken, oder in denen man, im Gegenteil, notwendige Dinge hätte erledigen können, wie zum Beispiel die Dissertation zu beenden, ohne die ihre Stelle nicht gesichert war, aber sie schafft es nicht, ihre Kräfte zu mobilisieren, sie zerstreuen sich mit einem Gefühl der Ohnmacht in den Zimmern.
    Du bist krank, sagt sie laut, fast schadenfroh, du bist krank, du wirst wie die Frau enden, die sich erhängt hat, und sie geht durch die Wohnung, fragt sich erstaunt, wie man überhaupt so etwas zustande bringt, es scheint, als benötige man auch für so etwas Fähigkeiten, die ihr fehlen, eine praktische Kreativität, Einfallsreichtum und Hartnäckigkeit. Ihr Blick wandert über die Lampen, die Wasserhähne, die Türrahmen, hier ist der Hocker, auf den Nizan immer gestiegen ist, um sich die Zähne zu putzen, Tocker, hatte sie ihn genannt, Tocker, den sie unter ihre Füße stellte, und sie schüttelt den Kopf, um die schrecklichen Gedanken abzuschütteln, wie man Läuse abschüttelt, und trotzdem gelingt es ihr nicht, sich zu entspannen.
    Erinnerst du dich, dass du mir von der Frau erzählt hast, die Selbstmord begangen hat?, fragt sie Gideon, wie hat sie sich eigentlich aufgehängt? Doch er erinnert sich nicht, er trifft so viele Leute nur einmal, eher zufällig, ich habe keine Ahnung, Dina, was geht es dich an, habe ich gesagt, sie hätte sich aufgehängt? Aber er wartet nicht darauf, dass sie antwortet, er hat so viel zu tun. Es ist nicht einfach, in der Konkurrenz mit den jungen Fotografen zu bestehen, von Demonstrationen zu Beerdigungen zu hetzen, von militärischen Aktionen zu einer Regierungssitzung, und jedes Mal den einzigartigen Blickwinkel zu entdecken, und er ist nie zufrieden, auch wenn er Preise und Anerkennungen bekommt, immer ist er beunruhigt, immer hofft er, morgen das zu finden, was er heute nicht gefunden hat. Nicht ihr gilt sein Interesse, sondern dem Fotoapparat, und obwohl das noch nie

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